Essen, trinken, reden: Für die Zufriedenheit im Alter ist es wichtig, Beziehungen pflegen zu können und für andere wertvoll zu sein.
Prävention

Psyche im Gleichgewicht

Selbstbestimmung, gesellschaftliche Teilhabe und Wertschätzung fördert ein Projekt zur psychosozialen Gesundheit in Pflegeeinrichtungen. „Leben in Balance“ startete mit Praxisbeispielen auf einer Tagung in Hannover. Von Änne Töpfer

Demenz, Depressionen,

Angststörungen oder Sucht – Studien zufolge haben bis zu zwei Drittel aller Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen psychische Erkrankungen. Hier setzt ein Präventionsprojekt an, das die AOK Niedersachsen und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau über einen Zeitraum von drei Jahren finanzieren. „Leben in Balance“ wird koordiniert von der Landesvereinigung für Gesundheit und der Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen (LVG und AFS). Die Schirmherrschaft hat Heiger Scholz übernommen, Staatssekretär im Sozialministerium Niedersachsen. 

Verluste kompensieren.

„Menschen empfinden den Umzug in ein Heim häufig als Krise“, betonte Dirk Schröder, Abteilungsleiter im niedersächsischen Sozialministerium, auf der Fachtagung zum Projekt in Hannover. Die stationäre Einrichtung sei die Lebenswelt pflegebedürftiger Menschen, und die müsse gesundheitsförderlich gestaltet werden. Dem pflichtete Dr. Jürgen Peter bei: „Wir sehen großen Bedarf im Handlungsfeld psychosoziale Gesundheit von Pflegebedürftigen.“ Ihm sei bundesweit kein vergleichbares Projekt bekannt, so der Vorstand der AOK Niedersachsen. Die Lebensqualität von Heimbewohnern ließe sich mit Präventionsangeboten deutlich erhöhen. Das bestätigte Professorin Dr. Josefine Heusinger, Sozialwissenschaftlerin von der Hochschule Magdeburg-Stendal. „Die Rahmenbedingungen mögen schwierig sein, aber es gibt Stellschrauben, um die psychosoziale Gesundheit von Heimbewohnerinnen und -bewohnern zu verbessern.“ Zufriedenheit im Alter ergebe sich unter anderem daraus, soziale Beziehungen pflegen zu können und für andere wertvoll zu sein. Die soziale Interaktion und die Alltagsgestaltung in Pflegeeinrichtungen seien entscheidend für die psychosoziale Gesundheit. Ziel sei es, „Verluste zu kompensieren, zu suchen, was noch geht und da die Kräfte reinzustecken“.

Und oft geht noch erstaunlich viel. So nehmen etwa in einem Heim der Inneren Mission in Northeim zehn Bewohnerinnen regelmäßig am Qigong teil, einer chinesischen Bewegungsform. „Anlass war der Einzug einer Frau, die das schon vorher gemacht hatte“, berichtete Heimleiter Robert Wehr. „Bei uns sollen alle ihre Lebensgewohnheiten beibehalten dürfen. Wir stellen so wenig Regeln wie möglich auf.“ Wehr hält nichts von einer „Zwangsbespaßung“. Lieber richtet er Möglichkeiten für freiwillige Zusammenkünfte ein, beispielsweise am Kamin in der Eingangshalle, in dem im Winter ab 15 Uhr ein Feuer brennt. „Die Plätze dort sind immer schnell belegt.“

Beratung zu Fördermöglichkeiten.

Im Alma-Louisenstift der Diakonie Adelebsen erfreuen sich Restaurantabende großer Beliebtheit. Menschen mit Demenz, die sonst Schwierigkeiten mit dem Essen hätten, wüchsen anlässlich des besonderen Rahmens über sich hinaus, erzählte Pflegedienstleiterin Angela Hansel. Das Heim in Adelebsen erprobt zudem einen sehr individuellen Weg der Verpflegung: Mit einem mobilen Küchenwagen bereitet der Koch auf Wunsch ein Essen im Zimmer von bettlägerigen Menschen zu.
Tablet-Gruppe, Männerrunde, Frühstück mit Kindern oder interaktives Musizieren – solche Aktivitäten in stationären und teilstationären Einrichtungen können sie über „Leben in Balance“ möglicherweise finanziell fördern lassen. „Die Projekte müssen nicht überragend innovativ sein, sondern sollen funktionieren“, betonte Dr. Maren Preuß von der LVG und AFS. „Wir informieren die Einrichtungen zu den Fördermöglichkeiten nach dem Präventionsgesetz.“ Dafür seien gewisse Voraussetzungen zu erfüllen. „Stimmen Sie sich früh und eng mit uns ab.“

Die Dokumentation „Leben in Balance”

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
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