Für Sie gelesen 4

Produktionsarbeit_Cover
Personalpolitik

Lernen steigert die Arbeitsfreude

An den älteren Erwerbstätigen führt kein Weg mehr vorbei. Der Mangel an Fachkräften hat die vorzeitige Berentung zum Auslaufmodell betrieb­licher Personalpolitik werden lassen. Zudem setzt die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters die Betriebe unter Druck. Unternehmen müssen mehr denn je spezielle Strategien entwickeln, um erfahrene Fachkräfte zu halten. Arbeitsorganisation und Betriebs­klima sind so zu gestalten, dass sie auch einer alternden Belegschaft gerecht werden. Unter dem Dach der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) haben sich die Netzwerke Demografie und Produktion mit diesem Zukunftsthema befasst. Der Tagungsband bündelt nun die Erkenntnisse. Eine davon ist sicherlich der wichtige Hinweis, nicht nur die Belastungen und Gefährdungen im Blick zu haben, sondern auch zu hinterfragen, wie die mit dem Alter verbundenen Gesundheitspotenziale gestärkt werden können. Für über 50-jährige Produktionsarbeiter sei die Freude an der Arbeit ein zentraler gesundheitlicher Einflussfaktor. Diese stelle sich laut den Befragungen dann ein, wenn die älteren Beschäftigten am Arbeitsplatz Neues lernen, einen Spielraum für Entscheidungen erhalten, ihre Fähigkeiten einbringen können und sich vor Herabsetzungen und Gerüchten geschützt fühlen.
Götz Richter, Christoph Hecker, Andreas Hinz (Hrsg.): Produktionsarbeit in Deutschland – mit alternden Belegschaften. 2017. 320 Seiten. 39,90 Euro. Erich Schmidt Verlag, Berlin.

Vernetzung_Cover
Digitalisierung

Neue Strategien für soziale Beziehungen

Die digitale Technik verändert unsere Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen. Unternehmen müssen beispielsweise neue Strategien für das Internet und die sozialen Medien entwickeln, um auf Vorwürfe oder negative Be­wertungen schnell reagieren zu können. Im Journalismus ist das Berufsfeld des Datenjournalisten hinzugekommen. In Teamwork werden große Datenmengen ausgewertet, die Analyse bildet die Basis für Nachrichten und Hintergründe. Der Band fasst die Beiträge der 62. Jahrestagung von Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 2017 in Düsseldorf zusammen. Ein Kapitel widmet sich der Frage, wie Menschen, die zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln, ihre sozialen Beziehungen mithilfe der digitalen Technik pflegen. Offenbar setzen sie die Instrumente je nach Intensität der Beziehung unterschiedlich ein. Digitaler Smalltalk wie ein schnelles „Wie geht’s?“ per Messenger-Dienst oder ein Post an der virtuellen Pinnwand dient oft nur dazu, den weitläufigen Bekannten ein Lebenszeichen zu senden. Andere kommunikative Vernetzungspraktiken wie das „Synchronisieren von Alltagserlebnissen“ oder das „Koordinieren von An- und Ab­wesenheiten“ helfen, im späteren persönlichen Austausch an die unmittelbaren Alltagserlebnisse anzuknüpfen.
Christiane Eilders, Olaf Jandura, Halina Bause, Dennis Frieß (Hrsg.): Vernetzung. Stabilität und Wandel gesellschaftlicher Kommunikation. 2018. 392 Seiten. 34 Euro. Herbert von Halem Verlag, Köln.

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Alterung

100 Jahre Leben sind machbar

Ein langes Leben ist nicht immer ein Geschenk, aber längst eine Tatsache. Darauf ver­weisen Wirtschaftsprofessor Andrew Scott und Management-Professorin Lynda Gratton von der London Business School. Die zunehmende Langlebigkeit fordert uns heraus. Wenn wir jetzt intensiv darüber nachdenken und die richtigen Entscheidungen treffen, so eine ihrer zentralen Thesen, wird es uns gelingen, aus einer längeren Lebenszeit das Beste zu machen. Aus Sicht der Autoren wird sich das Modell der drei Lebensphasen – Teenager, Berufstätiger und Rentner – in ein vielstufiges Lebensmodell umwandeln. Nicht nur die Phase der Erwerbstätigkeit könne sich damit bis ins 70ste oder 80ste Lebensjahr verlängern, auch müssen mit dem Alter andere gesellschaftliche Fragen balanciert werden. Beispielsweise werden wir damit experimentieren, wie die Jahre mit Sinn, mit „immateriellen Vermögenswerten“ zu füllen sind. Unternehmen sollten daher in die Entwicklung ihrer Mitarbeiter stärker investieren und ihnen zusätzliche Karriere­stufen anbieten. Auch sei das gesellschaftliche Bild vom Alter in Richtung „Altersneutralität“ zu revidieren. Die Personalpolitik der Zukunft wird das Alter und die Erfahrung der Beschäftigten nicht mehr mit den Themen Beförderung und Bezahlung verknüpfen.
Lynda Gratton, Andrew Scott: Morgen werden wir 100. Wie unser langes Leben gelingt. 2018. 384 Seiten. 20 Euro. Edition Körber, Hamburg.

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Psychiatrische Erkrankung

Spannende Reise in das Seelenleben

Die ersten Anzeichen scheinen harmlos: Der 22 Jahre alte Student umgarnt in einer manischen Hochstimmung die Schwester seiner Partnerin und ist völlig perplex über die Abfuhr. Später glaubt er dann an seine wichtige Mission, fühlt sich auserwählt und verfolgt zugleich. Er erlebt sich als „offenes Gehirn“, das seine Umwelt scannt, Informationen liefert und in das „kybernetische System einer Stadt“ eindringen muss. Der US-amerikanische Geheimdienst und Ex-Präsident Obama unterstützen ihn, deutsche Politiker wie Angela Merkel und Wolfgang Schäuble belauern ihn. Aus Panik zertrümmert Klaus Gauger eine Holzvertäfelung in seinem Elternhaus, um die ihn bedrohenden Mikrofone und Kameras zu finden. Seine innere Reise in die Welt der paranoiden Schizophrenie beginnt. Jahrzehnte später, nach unzähligen Klinikenaufenthalten, vielen Therapiegesprächen und einer 100-tägigen Reise um den halben Globus – von Freiburg nach New York, nach San Francisco, Tokio, London und Madrid – landet er in einem Krankenhaus in den spanischen Pyrenäen. Hier wird ihm mit sanftem Druck geholfen. Ein spannender Patienten­bericht, der mit einem nachdenklichen Plädoyer für eine bessere, mit mehr Konfronta­tion ausgestattete Psychiatrie endet.
Klaus Gauger: Meine Schizophrenie. 2018. 224 Seiten. 20 Euro. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau.

Susanne Werner ist freie Journalistin in Berlin.