Kinder lassen sich im prämierten Projekt „Let’s go“ fürs Wandern begeistern.
Konferenz

Prävention unter Bäumen

Eine intakte Umwelt ist Basis für die Gesundheit. Die Vereinten Nationen mahnen deshalb zum Schutz der biologischen Vielfalt und wollen Menschen in Kontakt mit der Natur bringen. Wie, das zeigte eine Tagung in Berlin. Von Änne Töpfer

Nach einem hektischen Arbeitsalltag

im Stadtpark entspannen, die Kinder nach Herzenslust im Matsch spielen lassen, Waldluft atmen, im Garten Wildblumen säen und Gemüse anbauen – irgendwie wissen wir alle, dass uns die Natur gut tut und gesund erhält. Aber wir vergessen es in unserem durch Technik und Termine getriebenen Alltag häufig. Welche Bedeutung Wälder, Wiesen, Tiere und Pflanzen fürs körperliche und seelische Wohlbefinden haben, hat die Konferenz „Gesund – mit der Vielfalt der Natur“ jetzt in Berlin ins Bewusstsein gerufen.

Die Vereinten Nationen (UN) machen in der Dekade 2011 bis 2020 darauf aufmerksam, wie wichtig ein Schutz der Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten für das menschliche Leben ist. Die Geschäftsstelle der UN-Dekade Biologische Vielfalt hatte deshalb in Kooperation mit dem Bundesumwelt- und dem Bundesgesundheitsministerium sowie dem Bundesamt für Naturschutz eingeladen, sich über verschiedene Aspekte von Natur und Gesundheit zu informieren und sich über Ressortgrenzen hinweg zu vernetzen. Auf der Veranstaltung in der Hauptstadt stellten sich zudem Projekte vor, die im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt eine Auszeichnung erhalten haben.

Spaß am Wandern.

Christine Merkel vom Deutschen Wanderverband berichtete über die Initiative „Let’s go“. Vier Tandems aus jeweils einem Wanderverein und einer Kindertagesstätte spornen dabei Kinder und ihre Eltern an, sich mehr im Freien zu bewegen. „Die Drei- bis Sechsjährigen laufen weiter und schneller als wir vorher dachten, und auch ihre Eltern haben Spaß beim Wandern.“ Wichtig sei, die Möglichkeit zum freien Spiel zu bieten. „Unser Angebot erfüllt die Kriterien des Leitfadens Prävention der Krankenkassen“, betonte Merkel. Der Wanderverband will künftig dazu anregen, neue Partnerschaften in städtischen Gebieten zu gründen.

Auch die AOK-Klinik Rügen bietet viel Kontakt zur Natur. „Unser Natur­erlebnispfad ist ein Highlight für Eltern und Kinder“, sagte Bernd Nikolait, pädagogischer Leiter in der Klinik. Während der Vater/Mutter-Kind-Kuren haben jährlich rund 2.000 erwachsene Teilnehmer und rund 3.000 Kinder Gelegenheit, auf nächtlichen Wanderungen Fledermäuse zu beobachten, Samenbollen für Trockenrasen zu formen oder auf einer Streuobstwiese Bäume zu pflanzen und zu pflegen. „Wir erleben die Jugendlichen hierbei engagiert und konzentriert“, so Nikolait. „27 Prozent der von uns befragten Lehrer melden zurück, dass die aus der Kur zurückkehrenden Schüler sozial weniger auffällig sind.“

Wertschätzung für die Natur.

„Der Aufenthalt in der Natur ist wichtig für die physische und psychische Gesundheit“, unterstrich in ihrem Grußwort zur Konferenz Dr. Christiane Paulus aus dem Bundesumweltministerium. Sie erinnerte an die medizinische Wirkung von Pflanzen: „Von 70.000 Arten, die für Gesundheitszwecke verwendet werden, sind 15.000 in ihrem Bestand gefährdet.“ Maria Becker aus dem Bundesgesundheitsministerium bekräftigte: „Wir müssen lernen, die Natur wieder mehr wertzuschätzen.“ Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) beugten wöchentlich zweieinhalb Stunden Bewegung in Wald, Feld und Wiese verschiedenen Zivilisationskrankheiten und Adipositas vor. Professorin Dr. Claudia Hornberg von der Universität Bielefeld plädierte dafür, „Ökosysteme wirtschaftlich zu bewerten“. Grün- und Blauräume wirkten sich positiv auf die Gesundheit aus. Matthias Braubach vom WHO-European Center for Environment an Health zitierte: „Wenn die Natur ein Medikament wäre, würde die Krankenversicherung das übernehmen.“

Dr. Sabine Richard vom AOK-Bundesverband verwies auf Präventionsangebote der Gesundheitskasse. So bringe beispielsweise das AOK-Schulprojekt „natürlich erleben“ in vier Tagen Outdoor-Unterricht Schülern die Natur näher. Auch die aktuelle AOK-Familienstudie (siehe „Thema des Monats“) lenke den Blick auf die Faktoren Umwelt, Natur und Gesundheit.

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
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