Eine Quelle für die Recherche: Im Internet lässt sich herausfinden, welche Praxis welche Leistung bietet.
Abtreibung

Recht auf sachliche Information

Informieren Frauenärzte auf ihrer Webseite darüber, dass in ihrer Praxis ein Schwangerschaftsabbruch möglich ist, machen sie sich strafbar. Das schränkt Patientenrechte von Frauen ein, meint Nora Junghans.

Lange Zeit haben

Schwangerschaftsabbrüche im gesundheits- und gesellschaftspolitischen Diskurs kaum eine Rolle gespielt. Doch nun ist das Thema wieder stärker in den Fokus gelangt. In den vergangenen Monaten sind drei Verfahren gegen Ärztinnen bekannt geworden, denen ein Verstoß gegen den Paragraf 219a Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen wird. Danach steht das öffentliche Anbieten von Leistungen zum Schwangerschaftsabbruch aus kommerziellem Interesse unter Strafe. Die drei Ärztinnen mussten sich dafür verantworten, dass sie auf ihren Internetseiten den Schwangerschaftsabbruch als medizinische Leistung angegeben haben sollen. Zwei Medizinerinnen aus Nordhessen soll die Einstellung des laufenden staatsanwaltschaft­lichen Ermittlungsverfahrens angeboten worden sein, wenn sie die entsprechenden Passagen von ihrer Homepage nehmen. Beide Ärztinnen lehnten dies ab. Die dritte war bereits im November 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil sie über einen Link Informa­tionen zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch auf ihrer Homepage bereitgestellt hatte. Das Urteil zog Protestaktionen in mehreren Städten nach sich und wurde in den Medien umfangreich und kritisch diskutiert. 

Ärztliche Berufsfreiheit tangiert.

Den Ärzten untersagt die Rechtsnorm bereits eine sachliche Information über die eigenen Angebote in dieser Frage, wenn diese Infos öffentlich zugänglich sind. Damit geht Paragraf 219a StGB weit über den Begriff der „Werbung“ hinaus und tangiert neben elementaren Patientenrechten der Frauen auch die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten. Es ist eine paradoxe Situation: Beratungsstellen und Behörden dürfen Frauen mitteilen, welche Arztpraxen legal Schwangerschaften abbrechen. Informieren die Ärzte hin­gegen selbst auf ihrer Webseite, dass sie die Leistung anbieten, ist dies illegal. Angesichts der Tatsache, dass beim Schwangerschaftsabbruch – wie bei allen anderen ärztlichen Leistungen – eine „anpreisende“ Werbung ohnehin schon durch die ärztliche Berufsordnung verboten ist, stellt sich umso mehr die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Para­grafen. 

Jeder Zweite informiert sich im Internet.

Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland (46 Prozent), die sich in den vergangen zwölf Monaten zu Gesundheitsthemen informiert haben, hat nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung dafür das Internet genutzt. Geht es um den gesetzeskonformen Abbruch einer Schwangerschaft, schneidet der umstrittene Paragraf Frauen von der digitalen Informationsbeschaffung ab. Damit beschränkt eine Norm im Strafgesetzbuch die betroffenen Frauen massiv in ihrem Recht auf freie Arztwahl und medizinisch-sachliche Informationen. Sie tabuisiert einen legalen medizinischen Eingriff, stigmatisiert betroffene Frauen und nimmt ihnen das Recht, sich frei und anonym zu informieren. 

Reformvorschläge liegen vor.

Die Linksfraktion im Bundestag, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP haben inzwischen jeweils Gesetzentwürfe vorgelegt, mit denen der umstrittene Paragraf aufgehoben beziehungsweise eingeschränkt werden soll. Die CDU hat sich hingegen deutlich gegen eine Abschaffung des Paragrafen positioniert. Die SPD hat  einen eigenen Gesetzentwurf wieder zurückgezogen. Nun sucht die Große Koalition nach einer Kompromissformel – Ausgang ungewiss. 

Die Beschränkung des Selbstbestimmungs- und Informationsrechts von Frauen durch den Gesetzgeber erfährt in Paragraf 219a StGB eine einzigartige Ausprägung. Den Patienten relevante Informationen zu medizinischen Behandlungen vorzuenthalten, war noch nie zeit­gerecht. Die Abschaffung des in dieser Strafrechtsnorm verankerten Informationsverbots ist daher längst überfällig.

Nora Junghans ist Referentin für Behandlungsfehlermanagement beim AOK-Bundesverband.
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