Von links: Dr. Götz Richter, Greta Konrad, Dr. Jürgen Peter und Gerhard Starke
Die Personen
G+G-Gespräch

„Der digitale Wandel kann Spaß machen“

Einmal pro Woche Homeoffice kann schön sein – oder zu familiären Konflikten führen, wenn die Arbeit dort kein Ende nimmt. Wie die Beschäftigten im digitalen Wandel gesund bleiben, diskutierten Experten auf Einladung der G+G-Redaktion.

Zum Einstieg eine Frage in die Runde: Wie digital ist Ihre persönliche Arbeitswelt – auf einer Skala von 1.0 bis 4.0?

Greta Konrad: Ich verleihe uns eine 4.0, denn wir digitalisieren nicht nur analoge Prozesse, sondern haben einen sehr viel weiteren Digitalisierungsbegriff. Wir meinen den gesamten Wandel der Arbeitswelt und verstehen darunter auch flache Hierarchien, schnelle Feedbackschleifen, Vernetzung, Team­arbeit, Identität und Veränderungsbereitschaft. Das leben wir in der Agentur Dark Horse schon sehr lange.

Götz Richter: Es ist sinnvoll, die technologische Seite von Digitalisierung von der Arbeitsorganisation oder sogar der Arbeitskultur zu unterscheiden. Dazu gehört die Flexibilisierung – fachlich, räumlich und zeitlich. Ich wohne in Bremen, habe je ein Büro in Dortmund und in Berlin. Insofern müsste ich mich sogar bei 4.0 einstufen, denn ich bin räumlich und fachlich sehr flexibel. Allerdings arbeite ich in einer Behörde und bin in eine Hierarchie eingebunden. Ich nutze natürlich Office-Anwendungen, aber in softwarebasierte Arbeitsprozesse bin ich nicht eingebunden – also eher 3.0 als 2.0.

Jürgen Peter: Bei mir ist es ähnlich. Ich arbeite mit Papier, aber auch digital. Die AOK Niedersachsen wird in die Digitalisierung hineinwachsen. Dabei kommt es auf das Wie an. Die digitalen Lösungen müssen für Kunden und Mitarbeiter einen Nutzen bringen. Deshalb gehen wir schrittweise vor – strategie- und zielorientiert.

Gerhard Starke: Ich rücke mich in die Mitte, 2.0 bis 3.0. Die Personalwelt ist digitalisiert: Die Workflows, Arbeitszeit- oder Fehlzeitenerfassung laufen elektronisch und quasi papierlos. Wir sind gerade dabei, den letzten Schritt zu machen: die Aktendigitalisierung in der Personalverwaltung. Wir nutzen auch Collaboration Rooms, also Software, mit der wir Projekte managen. Aber viel wichtiger ist ein Kulturwandel in der Führung.

„Wir sollten Potenziale der Beschäftigten besser nutzen. Die Menschen können mehr, als wir ihnen bislang abfordern.”

Dr. Götz Richter

Arbeit 4.0, Industrie 4.0, Gesundheit 4.0 – viele Menschen benutzen diese Begriffe, aber häufig ohne zu wissen, was genau sich dahinter verbirgt. Herr Dr. Richter, wie würden Sie als Wissenschaftler Digitalisierung definieren?

Richter: Am liebsten gar nicht, denn es gibt keine einheitliche Definition. Am greifbarsten erscheinen mir die Aspekte Vernetzung und Informationsübermittlung in Echtzeit zu sein. Aber eben ist ja schon angeklungen, dass die Arbeitskultur sich als Folge von Vernetzung auch verändert.

Konrad: In dieser Bezifferung äußert sich eine gewisse Hilflosigkeit. Eigentlich müsste man ein Unendlichkeitszeichen dranschreiben: Digitalisierung ist nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt bewältigt, sondern sie dauert an. Also müssen wir in einem sehr hohen Tempo immerzu auf Veränderungen reagieren.

Herr Starke, Sie sind Personalchef eines großen mittelständischen Unternehmens. Woran machen Sie Digitalisierung fest?

Starke: Der entscheidende Aspekt ist die Flexibilisierung in der gesamten Organisation. Industrieunternehmen haben oft verkrustete Strukturen. Befragungen zeigen, dass sich viele Mitarbeiter mit der Geschwindigkeit der Veränderung schwertun. Aber die Welt wird flexibler, wir müssen schneller agieren.

Frau Konrad, Sie beraten Unternehmen im digitalen Wandel. Was macht den Beschäftigten Angst und was spornt sie an?

Konrad: Veränderung ist lästig, wenn sie diktiert wird. Wenn Menschen mitentscheiden können, ist der Wandel für sie weniger bedrohlich. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind erleichtert, wenn sie endlich mitgestalten können. Aber ich erlebe auch, dass Menschen die Veränderungen nicht wollen. Ich habe großen Respekt vor allen, die den digitalen Wandel mitmachen – gerade auch vor Menschen, denen er Angst macht. Plötzlich heißt es, flexibel zu sein, ins Homeoffice zu gehen oder als Führungskraft Verantwortung abzugeben. Ich habe Verständnis dafür, wenn Menschen darauf keine Lust haben. Dafür sollten Unternehmen sensibel sein: Sobald sie merken, dass Unruhe aufkommt, sollten sie die Beschäftigten mitgestalten lassen.

Herr Dr. Peter, die AOK Niedersachsen betreut etwa 150.000 Firmenkunden. Manche Analysen zeichnen ein düsteres Zukunftsbild, in dem die Digitalisierung zum Verlust von Arbeitsplätzen führt. Teilen Sie diesen Pessimismus?

Peter: Ich teile diesen Pessimismus überhaupt nicht. Die Technik eröffnet neue Möglichkeiten, beispielsweise in der kundenindividuellen Produktion. Das wird die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie enorm stärken. Allerdings werden sich die Arbeitsplätze und die Aufgaben verändern. Einige werden wegfallen, aber es werden auch neue Arbeitsplätze entstehen, mit einer anderen Qualität. Da aber der Wandel eher evolutionär ist, können wir ihn managen. Damit beschäftigten wir uns im Projekt Gesundheit in der Arbeitswelt 4.0.

Kommen wir zum Thema Gesundheit im engeren Sinne. Wo belastet Digitalisierung Körper und Seele am meisten, und wo fördert sie vielleicht sogar die Gesundheit?

Richter: Die Frage nach der Wirkung auf die Gesundheit lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommen viele Prozesse zusammen, die Digitalisierung ist nur ein Element der Veränderungen in der Arbeitswelt. Dennoch gibt es Dinge, die man berücksichtigen muss, so beispielsweise die Software-Ergonomie. Wenn die Software nicht funktioniert, macht das Führungskräften und Mitarbeitern großen Stress.

Die Zahl der Fehltage und Frühverrentungen aufgrund von psychischen Erkrankungen nimmt seit Längerem zu. Hat das auch etwas mit der Digitalisierung und mit der damit verbundenen Entgrenzung und Beschleunigung zu tun?

Peter: Die Ursachen für die Fehltage sind vielschichtig. Die Digitalisierung allein führt nicht zu Depression und Burnout. Die Effekte der Digitalisierung auf die Gesundheit sind noch wenig erforscht. Die AOK Niedersachsen will dieses Feld mit Wissenschaftlern vom Soziologischen Forschungsinstitut in Göttingen untersuchen. Für den einen bedeutet es mehr Stress, wenn er ständig erreichbar ist. Der andere genießt die Autonomie, die sich daraus ergibt, dass er seine Arbeit frei einteilen und zu Hause erledigen kann. Unsere Mitarbeiterbefragungen zeigen, dass die Arbeit im Homeoffice mit hoher Zufriedenheit und persönlichem Glücksempfinden einhergehen kann.

Richter: Das ist vielfach eine Frage der Dosierung: Homeoffice kann die Arbeitsbedingungen verbessern. Wenn aber zu viel Arbeit anliegt und am Wochenende zu Hause weitergearbeitet wird, können familiäre Konflikte entstehen.

Starke: Ich habe einen anderen Blickwinkel auf das Thema. Wenn ich mit erkrankten Mitarbeitern ins Gespräch komme, erfahre ich mitunter, dass die Menschen sich dem Arbeitsdruck nicht gewachsen fühlen, möglicherweise mit neuen Systemen nicht klarkommen. Ein Außendienstmitarbeiter, der monatelang krank war, sagte: Ich habe das alles nicht verstanden, meine Mails bearbeitet meine Tochter. In der Praxis erlebe ich, dass Menschen dann psychisch erkranken. Das hat auch mit Digitalisierung und Beschleunigung zu tun. Wenn ich zwei Tage unterwegs war und dann das Aktualisieren meiner Mails nicht funktioniert, übt das schon Druck aus.

„Veränderung ist lästig, wenn sie diktiert wird. Wenn Menschen mitentscheiden können, ist der digitale Wandel für sie weniger bedrohlich.”

Greta Konrad

Frau Konrad, Sie arbeiten in einem jungen Unternehmen, in dem die Beschäftigten mit dem Internet aufgewachsen sind. Welche Rezepte haben Ihre Kollegen gegen Entgrenzung und Burnout?

Konrad: Bei uns kann jeder arbeiten, wo, wann und wie er möchte. Wir sind die Gestalter, wir brauchen diese Freiheiten. Wir kennen aber auch die andere Seite der Medaille, das ist die Burnout-Gefahr. Es ist schwer, sich abzugrenzen, wenn nicht der Chef sagt: Jetzt mach mal weniger. Oder wenn er keine Struktur vorgibt, von wann bis wann man arbeiten soll. Vielleicht arbeiten bei Dark Horse bei aller Freiheit deshalb die meisten von neun bis fünf im Büro.

Herr Dr. Peter, wie müssen sich die klassischen Präventionsangebote im Zeitalter der Digitalisierung verändern?

Peter: Die Inhalte bleiben fast gleich, es kommt nur darauf an, wie wir sie transportieren. Wie bringt man Präventionsangebote in andere Arbeitsformen, beispielsweise mit Homeoffice-Anteilen? Außerdem müssen wir die Angebote auch digital ausgestalten und machen das zum Teil schon, beispielsweise mit Bewegungs- oder Ernährungs-Apps. Aber das Entscheidende ist, dass wir den ständigen Wandel flankieren. Die Menschen müssen mehr eigene Verantwortung für die Gesundheit übernehmen, wenn der Grad an Autonomie und die Flexibilität steigt. Am Anfang steht immer eine Analyse: Welche gesundheitlichen Belastungen ergeben sich aus neuen Technologien? In unserem aktuellen Projekt erproben wir innovative Ansätze, um in der betrieblichen Gesundheitsförderung darauf zu reagieren.

Richter: Auf einer Tagung mit Praktikern vor drei Jahren war der Tenor: Wir erleben, dass die Digitalisierung den Aufbau unserer Organisationen verändert, die sich zukünftig am digitalen Workflow ausrichten. Das betriebliche Gesundheitsmanagement kommt erst hinzu, wenn die Struktur schon steht. Die Praktiker haben dieses Vorgehen als dysfunktional kritisiert, weil sie am Aufbau nicht beteiligt werden.

Peter: Das kann ich bestätigen. Mir hat ein Firmenvertreter gesagt: Wir stehen unter großem Kostendruck und führen deshalb digitale Prozesse ein. Dabei unterstützen uns Unternehmensberater, da können wir die Krankenkasse nicht gebrauchen. Dann haben wir ihn überzeugt, dass wir genau das mit unserer Expertise im Gesundheitsmanagement begleiten können.

Kommen wir nochmal auf das Stichwort Eigenverantwortung zurück: Machen es sich Arbeitgeber und Sozialversicherungen nicht zu leicht, wenn sie mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten für die Gesundheit anmahnen?

Starke: Jeder Mensch ist für sein Wohl ein Stück weit selbst verantwortlich. Prävention kommt aber ohne begleitende und unterstützende Angebote nicht aus.

Richter: Es ist Führungsversagen, wenn wir die Beschäftigten mit der gesundheitlichen Prävention allein lassen. Spannend ist dann aber die Frage: Wie müssen die Betriebe ihre Führungskräfte ausrüsten, damit sie diese Aufgabe erfolgreich ausüben und nicht selbst dabei erkranken? Die Führungskräfte sind auch dafür zuständig, den Sinn der Arbeit zu vermitteln. Das ist in der digitalen Welt vermutlich schwieriger, weil möglicherweise die Prozesse stärker zerstückelt sind.

Starke: Zur Bedeutung der Führungsqualität fällt mir eine kleine Anekdote ein: Der Sohn von Bekannten hatte Riesenstress mit seinem Chef und war daher unzufrieden. Als ich ihn kürzlich wiedertraf, strahlte er und sagte: Die haben mich versetzt, ich habe jetzt einen Chef, der mit uns redet und uns ernst nimmt.

„Für den einen bedeutet es Stress, ständig erreichbar zu sein. Der andere genießt die Autonomie, seine Arbeit frei einteilen und zu Hause erledigen zu können.”

Dr. Jürgen Peter

Die Beschäftigten ernst nehmen, mit ihnen reden – das sind altbekannte und bewährte Tugenden in der Führung von Unternehmen. Aber was zeichnet eine Führungskraft im digitalen Zeitalter aus?

Konrad: Man kann das Führungsprinzip von früher fast auf den Kopf stellen. Wir verstehen Führung in der digitalen Welt als Befähigung der Mitarbeiter: Was muss ich tun, damit sie die bestmögliche Arbeit machen können? Das klingt banal, aber jahrzehntelang lief es umgekehrt: Die Mitarbeiter sollten den Chefs auf deren Karriereweg möglichst gut zuarbeiten. Führungskräfte müssen sich heute vielmehr als Befähiger für den digitalen Wandel begreifen.

Starke: Die Mitarbeiter zu befähigen, ist die größte Herausforderung. Wir haben uns drei Jahre Zeit genommen, unsere Führungskräfte durch entsprechende Entwicklungsprogramme für ihre Aufgaben fit zu machen. Man muss da sehr individuell vorgehen. Wir waren mit diesem Programm sehr erfolgreich und haben es geschafft, den überwiegenden Teil der Führungskräfte auf diesem Weg mitzunehmen. Wir spüren den Kulturwandel in den Projekten, weil die Leute ganz anders miteinander arbeiten, ein anderes Verständnis füreinander haben und viel mehr Respekt vor den Befindlichkeiten der einzelnen Projektteilnehmer.

Peter: Wenn man über Digitalisierung redet, ist eines der Prinzipien: Vernetzung statt Hierarchie. Deshalb ist in der Führung soziale Kompetenz, gepaart mit kommunikativen Fähigkeiten besonders wichtig. Es reicht nicht, die Dinge einfach laufen zu lassen. Aber grundsätzlich zeichnet eine gute Führungskraft im digitalen Zeitalter dasselbe aus wie heute schon.

Richter: Führungskräfte müssen wertschätzend Feedback geben können. In vielen Betrieben gibt es ritualisierte Jahresgespräche, aus denen die Luft raus ist. Da gibt es erste Vorschläge, sie wiederzubeleben. Wichtig ist zudem die Informationspolitik in Veränderungsprozessen. Je unklarer der Informationsstand, desto höher der Stresslevel bei den Beschäftigten.

Konrad: Feedbackkultur finde ich sehr wichtig, und zwar in beide Richtungen – auch eine Führungskraft sollte Feedback von den Mitarbeitern bekommen. Wichtig ist außerdem, nicht die Einzelleistung in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die Team-Performance. Wenn wir Digitalisierung breiter denken und nicht nur als Technologisierung, geht es darum, dauerhaft neu zu gestalten. Das heißt, wir dürfen kreativ sein, und dann kann der digitale Wandel sogar Spaß machen. Da kommt auch die Gesundheit als wichtige Voraussetzung ins Spiel: Ich bin bereit etwas Neues zu schaffen, wenn ich mich wohlfühle, gut informiert und entspannt bin, nicht unter Druck stehe.

Herr Dr. Richter, Sie sind maßgeblich beteiligt an der Initiative Neue Qualität der Arbeit. Haben Sie sich dort komplett auf Digitalisierung umgestellt?

Richter: Wir haben zum Beispiel die Aufgabe, zu untersuchen, wie Betriebe in einem Experimentierraum Elemente des vollkommen Neuen, Disruptiven ausprobieren können, ohne unsere Tarif- und Sozialversicherungsordnung wegzuspülen. Wir wollen unser System weiterentwickeln und nicht alles über Bord werfen. Wir bauen dynamische Einheiten auf und lassen sie wissenschaftlich begleiten. Wir wollen herausfinden, in welche Richtung wir unsere Regularien weiterentwickeln müssen, sowohl auf der staatlichen Seite als auch bei den Sozialversicherungen und in den Betrieben. Wir sollten außerdem die Potenziale der Beschäftigten besser nutzen: Die Menschen können mehr, als wir ihnen bislang abfordern. Und wir müssen die Arbeitsfreude stärken.

„Jeder Mensch ist für sein Wohl ein Stück weit selbst verantwortlich. Prävention kommt aber ohne begleitende und unterstützende Angebote nicht aus.”

Gerhard Starke

Stichwort Arbeitsfreude: Man hat den Eindruck, dass in Skandinavien, in Teilen der USA, in Teilen Asiens Menschen Digitalisierung bereits viel stärker in ihren Alltag integriert haben und unbefangener damit umgehen. Wie kann man auch in Deutschland Neugier auf die Digitalisierung wecken und mehr Freude an den damit verbundenen Neuerungen vermitteln?

Starke: Der gesellschaftliche Hintergrund ist entscheidend. In Schweden, wo wir gerade ein Unternehmen erworben haben, herrscht eine ganz andere Arbeitskultur, ein anderes Verständnis von Miteinander. Die Schweden sind in diesem Bereich schon ein Stück weiter – aber nicht, weil die Menschen anders sind, sondern weil sich die Rahmenbedingungen unterscheiden, in denen sie aufwachsen und sich qualifizieren. Daran sollten wir in Deutschland arbeiten.

Konrad: Die Frage suggeriert, es gäbe einen Zeitpunkt, bis zu dem man die Digitalisierung bewältigt hat. Die einen sind auf dem Weg weit vorangeschritten, die anderen hinken hinterher. Diese Sichtweise wird aber der Komplexität der Digitalisierung nicht gerecht. Vielleicht digitalisieren wir in Deutschland auf eine ganz andere Art, weil wir andere Rahmenbedingungen haben. Ich finde es schade, wenn wir daraus einen Wettbewerb machen. Ich glaube, dass man seinen individuellen Weg finden muss, in der Digitalisierung etwas für sich zu gestalten.

Peter: Einer der Vorteile in Deutschland ist der sozialpartnerschaftliche Ansatz. Wir legen als Sozialversicherung sehr viel Wert darauf, dass bei Projekten Gewerkschaften und Unternehmerverbände eingebunden sind. Das ist in der Umsetzung das Entscheidende, wenn wir die Mitarbeiter mitnehmen und den Rahmen gut ausgestalten wollen. Allerdings sind wir in vielen Feldern überreguliert. Jüngstes Beispiel dafür ist die Datenschutz-Grundverordnung. Eine zu starke gesetzliche Regulierung macht Unternehmen und Organsationen in der modernen Welt handlungsunfähig. Andererseits darf es aber auch nicht zu Skandalen kommen wie dem jüngsten Datenleck in Sozialen Netzwerken. Der Gesetzgeber muss einen vernünftigen Mittelweg finden.

Wir kommen zur Schlussfrage mit einem Blick in die Zukunft. Wie werden Menschen im Jahr 2050 arbeiten – als Sklaven künstlicher Intelligenz, nur noch so, wie es ihnen Spaß macht, oder gar nicht mehr?

Konrad: Wenn es um Technologien oder neue Medien geht, zeichnen Menschen gern extreme Szenarien. Die Zukunft bringt dann irgendetwas dazwischen. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Wir sollten den Auftrag annehmen, den Weg dahin dauerhaft zu gestalten, auch unter Beachtung kultureller Werte, die wir vielleicht teilen, beispielsweise Menschlichkeit. Die Digitalisierung an sich hat keine Moral. Wir sind dafür zuständig, auch die sozialen Aspekte zu beachten.

Richter: Ich finde, es ist ein positives Zeichen, dass der Gesetzgeber nach Jahrzehnten ein Präventionsgesetz verabschiedet hat. Der Grundgedanke ist gut: Wir brauchen eine präventive Perspektive in verschiedenen Settings und müssen die Akteure in die Lage versetzen, besser miteinander zu kooperieren – gerade angesichts der digitalen Transformation der Arbeit. Und ich wünsche mir, dass die Arbeit in Zukunft für mehr Menschen erfüllend ist und ihnen Freude macht.

Peter: Die Zukunft ist offen, hat der Philosoph Karl Popper gesagt. Meistens kommt es dann zu großen Umbrüchen, wenn das alte Gesellschaftsmodell oder die alte Technologie ausgereizt sind. Es liegt an uns selbst, wie wir den Prozess gestalten. Wenn man gewisse Dinge laufen lässt, ob im Betrieb oder gesamtgesellschaftlich, kann es gefährlich werden. Deshalb müssen wir uns sehr verantwortlich für die Gestaltung des digitalen Wandels zeigen.

Starke: Wie wir 2050 arbeiten? Ganz anders als heute. Wenn die Digitalisierung in dem Tempo voranschreitet, sehe ich viel gesellschaftlichen Konfliktstoff. Wir sind auf dem Weg, immer mehr Menschen abzuhängen. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, mache ich mir ernsthaft Sorgen um die Stabilität unserer Systeme. Aber ich hoffe, wir wenden uns mit guten Ideen wieder den Menschen zu. Wir schaffen Räume, in denen sie sich gesellschaftlich akzeptiert und integriert fühlen. Die Wissenschaftler werden irgendwann wissen, wie das geht.

Änne Töpfer führte das Gespräch gemeinsam mit