Für Sie gelesen 4

Cover Unsinn Vorsorgemedizin
Prävention

Über Vorsorge lässt sich streiten

Den eigenen Körper frühzeitig auszumessen und zu bewerten, ist längst keine gute Medizin. So lässt sich die zentrale Botschaft von Ingrid Mühlhauser zusammenfassen. Die Hamburger Professorin für Gesundheitswissenschaften und Fachärztin für Innere Medizin will die Debatte um die Vorsorgemedizin erneut befeuern. „Ausgewogenheit“, so heißt es im Vorwort, „ist kein vorrangiges Ziel“. Mit ihrem Buch will sie vor der gesundheitspolitischen Ausrichtung des Medizinbetriebes geradezu warnen: Sobald Vorsorge, Früherkennung und Prävention zu Dogmen erklärt würden, könne damit auch erheblicher Schaden angerichtet werden. Gesundheitliche Risiken und Gefährdungen könnten umfassend beschrieben werden. Dennoch sage dies wenig darüber aus, ob eine Therapie notwendig ist und wie hoch die Heilungschancen im individuellen Fall sind. Denn allzu oft arbeite die Vorsorgemedizin mit angstmachenden Botschaften oder lege Studien auf, die in ihrer Aussagekraft und ihrem methodischen Vorgehen zweifelhaft sind. Bei Screenings und Gesundheitschecks bestünde auch die Gefahr von Fehldiagnosen und Übertherapien. Grenzwerte seien schließlich nur „statistisch definierte Normzustände“. Würden beispielsweise jene für Blutzucker, Cholesterin oder Blutdruck abgesenkt, seien bis dato gesunde Menschen schnell als chronisch krank eingestuft.
Ingrid Mühlhauser: Unsinn Vorsorgemedizin. Wem sie nützt, wann sie schadet. 2017. 224 Seiten. 9,99 Euro. Rowohlt Verlag, Reinbek.

Cover Das Geheimnis gesunder Kinder
Kindergesundheit

Eltern beruhigen und aufklären

Eltern werden heute mit so vielen Informationen und Ratschlägen bombardiert, schreibt Dr. Karella Easwaran. Darum braucht es nun ihr Buch, um die geplagten Mütter und Väter aufzuklären und zu beruhigen. Die Gesundheit des Nachwuchses ist aus ihrer Sicht kein Grund, ständig in Alarmbereitschaft zu sein. Die Ärztin ist in Äthiopien aufgewachsen und beschreibt die Kindheit und Jugend in ihrer Familie als einen Wohlfühlort. Jeden Abend, so erzählt sie, stand die Mutter am Fenster und betete mit ausgestreckten Armen zum Himmel. Ihre Gelassenheit und Ruhe habe der gesamten Familie Kraft gegeben und den Kindern das nötige Vertrauen vermittelt, um nach Flucht und Vertreibung in anderen Ländern wieder heimisch zu werden. Vieles in der westlichen Welt krankt aus ihrer Sicht daran, dass Eltern alles richtig machen wollen. Mütter und Väter würden zu Helicopter-Eltern, die dauerhaft besorgt seien, und ihre Kinder, die nahezu alles bekommen, entwickelten sich zu kleinen Tyrannen. Eltern und Kindern mangele es oftmals gleichermaßen an Mut, Klarheit, Vertrauen und Gelassenheit. Sinnvoll sei es daher, zuallererst das eigene Denken zu prüfen und ge­gebenenfalls umzusteuern: „Beneficial Thinking“ nennt es Karella Easwaran und meint damit, sorgenvolle und beängstigende Gedanken gegen angenehme und vorteilhafte einzutauschen.
Karella Easwaran: Das Geheimnis gesunder Kinder. 2018. 272 Seiten. 9,99 Euro. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln.

Cover Heiter bis wolkig
Psychiatrie

Innenansicht mit blinden Flecken

Die junge Frau fühlt sich prima und ist voller Pläne. Leider nur steht ein Termin beim Psychiater bevor und der endet so ganz anders als sie erwartet hatte. Statt wieder an den Schreibtisch in ihrem Büro zurückzukehren, wird sie zum zweiten Mal in die Psychiatrie eingewiesen. Die Leser werden so Teil einer Verwirrungs­geschichte, die nicht leicht zu enträtseln ist. Denn, so wie Myrte van der Meer schreibt, bleibt es zunächst vage, was nun stimmt: Die Selbst­einschätzung der erzählenden Hauptperson, die sich für alles andere als verrückt hält. Oder die Einschätzung des behandelnden Facharztes, auf den sie wirkt als stünde sie kurz vor einem Suizidversuch. „Ich gehöre hier nicht her“, sagt sie. „Ich möchte, dass Sie begreifen, dass das hier eine ernste Situation ist“, sagt Dr. Panjani. Schließlich gibt es da noch die rund 200 Tabletten, die die Erzählerin gehortet hat und die sie, „in der Hinterhand“ haben will, falls sie diese benötigt. Verständlich, dass bei einem verantwortungsvollen Mediziner an­gesichts dieser Information alle Alarmglocken läuten. Bis ins Detail erzählt die Autorin in ihrem Psychiatrieroman „Heiter bis wolkig“ die Geschichte ihrer eigenen Ver­wirrung, ihren Argwohn gegen den Alltag in der Psychiatrie, gegen den Therapieplan und gegen die Diagnose einer bi­polaren Störung.
Myrthe van der Meer: Heiter bis wolkig. Ein Psychiatrieroman. 2018. 352 Seiten. 20 Euro. Balance Verlag, Köln.

Cover Sozialrechtshandbuch
Sozialrecht

Überblick zur Gesetzeslage

Die Sozialpolitik gilt als „Herzstück“ der Kommunalpolitik. Schließlich sind es die Städte, Gemeinden und Landkreise, die einen Großteil der Sozialleistungen verantworten und mitunter über die Lasten klagen. So sind nach Angaben des Deutschen Städtetages die Sozialausgaben der Kommunen 2017 auf rund 63,5 Milliarden Euro angewachsen. 2009 lag dieser Posten noch bei rund 40 Milliarden Euro. In der nun sechsten Auflage des „Sozialrechtshandbuch“ ist der Beitrag zur „Kommunalen Sozialpolitik“ des Juristen Markus Schön hinzugekommen. Damit berücksichtigen die Herausgeber Franz Ruland, Ulrich Becker und Peter Axer, dass die Kommunalpolitik immer dann in die Pflicht genommen wird, wenn andere Sozialleistungsträger versagen. In den Kommunen zeigt sich, dass die verschiedenen Akteure die Herausforderungen der Zukunft nur gemeinsam meistern können. Das gilt für die Integra­tion von Flüchtlingen genauso wie für die gesundheitlichen Entwicklungschancen von sozial Benachteiligten. Die Gesetzgebung hat in der vergangenen Legislaturperiode erheb­liche Änderungen in vielen Bereichen des Sozialrechtes auf den Weg gebracht. Das aktuelle Handbuch fasst den Stand zum Ende der 18. Legislaturperiode zusammen.
Franz Ruland, Ulrich Becker, Peter Axer (Hrsg.): Sozialrechtshandbuch. 6. Auflage, 2018. 1.725 Seiten. 160 Euro. Verlag Nomos, Baden-Baden.

Susanne Werner ist freie Journalistin in Berlin