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Vorstand gefragt!

„Wir wollen bei der Digitalisierung einen bedeutsamen Beitrag leisten“

Die AOK engagiert sich, um die Gesundheitsversorgung ihrer Versicherten zu verbessern. Welche Rolle die Digitalisierung dabei spielen kann, erläutert Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg.

G+G: Duisburg, Hamburg, Eifel: Die Regionen, in denen die Versicherten der AOK Rheinland/Hamburg leben, könnten unterschiedlicher nicht sein. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Versorgung?

Günter Wältermann: Regionale Unterschiede sowohl in den Versorgungsstrukturen als auch bei der Krankheitslast sind eine große Herausforderung – nicht nur für die AOK Rheinland/Hamburg, sondern für das gesamte Gesundheitssystem. Und trotzdem: Oberstes Ziel muss es sein, dass wir in ganz Deutschland einen einheitlich hohen Versorgungsstandard haben, völlig unabhängig vom Wohnort. Die Realität sieht aber leider anders aus. Die AOK engagiert sich deshalb mit vielen Projekten in diesem Bereich. Bei all’ unseren Initiativen für eine bessere Gesundheitsversorgung ist uns wichtig, dass sowohl die Versorgung im ländlichen Raum betrachtet wird, als auch in den Städten und Großstädten. Denn auch hier – beispielsweise in Hamburg-Billstedt oder Köln-Chorweiler – gibt es strukturschwache Räume, oft gepaart mit einer hohen sozialen Ungleichheit in der Bevölkerung.

G+G: Wo sehen Sie grundsätzlich Handlungsbedarf, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern?

Wältermann: Der Patient muss wieder stärker in den Fokus rücken, die Versorgungsstrukturen müssen sich viel mehr als bislang am Bedarf der Patienten ausrichten. Um die medizinische Versorgung insbesondere chronisch kranker und multimorbider Patienten zu verbessern, müssen wir die sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung weiter ausbauen. Mehr Kooperation und bessere Koordination zwischen den verschiedenen Gesundheitsprofessionen sind hier die wichtigsten Stichworte.

G+G: Welche Rolle kann dabei die Digitalisierung spielen?

Wältermann: Die Digitalisierung vernetzt mit wenig Aufwand Leistungserbringer untereinander und vereinfacht so eine koordinierte Versorgung. Gleichzeitig bindet die neue Technik die Patienten aktiv in die Behandlung ein und stärkt so ihr Selbstwirksamkeitsgefühl. Ein gutes Beispiel, wie sich durch Digitalisierung die Versorgung verbessern lässt, ist unser Projekt TeLIPro. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich das Telemedizinische Lebensstil-Interventions-Programm für Typ-2-Diabetiker. Dieses digitale Gesundheitsprogramm unterstützt und begleitet Menschen mit Typ-2-Diabetes dabei, ihren Lebensstil nachhaltig umzustellen. Mit TeLIPro motivieren wir mithilfe moderner Technik die Teilnehmer dazu, mehr Bewegung und eine ausgewogene Ernährung in ihren Alltag zu integrieren und so ihren Gesundheitszustand langfristig zu verbessern.

G+G: Welche Rolle können Krankenkassen in der Zusammenarbeit mit Start-ups übernehmen, die neue digitale Lösungen entwickeln?

Wältermann: Start-ups können Impulsgeber sein, um bestehende Strukturen zu überdenken, aufzubrechen und intelligent umzugestalten. Aber sie brauchen eine Start- und Landebahn. Wir als Krankenkasse können diese Start- und Landebahn sein, denn wir bieten Bodenhaftung – im positiven Sinne. Unser Ziel ist es, die innovativen Ideen und Konzepte der Start-ups mit unseren langjährigen Erfahrungen und Netzwerken zu vereinen: Innovative Ideenschmiede trifft auf etablierte Gesundheitsakteure. Ganz konkret können Krankenkassen Start-ups dabei unterstützen, bestehende Hürden im Gesundheitswesen zu verstehen. Oder sie können bei der Umsetzung von intelligenten Versorgungsideen als erste Ansprechpartner dienen.

G+G: Warum hat die AOK Rheinland/Hamburg sogar ein internes Start-up?

Wältermann: Es ist das Ziel der AOKs, bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens einen bedeutsamen Beitrag zu leisten. Hierzu haben wir als AOK Rheinland/Hamburg mit RHINO ein eigenes Start-up gegründet. RHINO steht für „Rheinland Hamburg Innovation“ und verfolgt das Ziel, mit digitalen Lösungen Versorgungsstrukturen und -angebote für unsere Versicherten möglichst passgenau zu verbessern. Wir wollen innovative Ansätze, die die Versorgung substanziell verbessern können, schnellstmöglich unseren Versicherten zur Verfügung zu stellen. RHINO leistet hier einen wichtigen Beitrag.

G+G: Versicherte sind heute besser informiert als früher und fordern mehr Mitsprache ein. Sie werden so mehr und mehr zum eigenen „Gesundheitsmanager“. Wie wird sich vor diesem Hintergrund die Aufgabe der AOK entwickeln?

Wältermann: Versicherte entwickeln sich immer stärker zu mündigen Patienten und wollen als aktive Partner im Rahmen ihrer Behandlung wahrgenommen werden – und das ist gut so. Ich betrachte es als eine Aufgabe der AOK, unsere Versicherten bei diesem Prozess zu begleiten, indem wir mit unseren passgenauen Angeboten ihre Gesundheitskompetenz weiter ausbauen und sie aktiv bei der Gestaltung eines gesunden Lebensstils unterstützen. Je nach individueller Indikation des Versicherten können diese Angebote analog oder auch digital sein. Onlinebasierte Gesundheitsprogramme wie das oben genannte TeLIPro oder ein „Gesundheitskiosk“ im strukturschwachen Hamburg Billstedt-Horn sind nur zwei Beispiele von vielen, mit denen wir gezielt Gesundheitskompetenz und Selbstmanagementfähigkeit der Versicherten fördern. Nicht zuletzt bringen wir uns – beispielsweise mit Selektivverträgen – in Zusammenarbeit mit Leistungserbringern in die Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen ein oder tragen mit der Entwicklung unseres digitalen Gesundheitsnetzwerks (DiGeN) zur Vernetzung der verschiedenen Akteure in der Gesundheitsversorgung bei.

G+G: Ältere Versicherte haben zum Teil keinen Zugang zum Internet oder zu Smartphones. Wie sorgt die AOK dafür, dass auch diese Patienten in Zukunft gut versorgt sind?

Wältermann: Wir sind ja nicht nur digital gut aufgestellt, sondern gerade auch vor Ort sehr stark. Es darf natürlich nicht passieren, dass ältere Versicherte ohne digitale Ausstattung und entsprechendes Know-how beim Zugang zu Gesundheitsleistungen benachteiligt werden. Für uns steht fest, dass wir auch in Zukunft der starke Partner unserer Versicherten vor Ort bleiben werden. Als regionale Krankenkasse mit einem überdurchschnittlich gut ausgebauten Geschäftsstellennetz hat der persönliche Kontakt zu unseren Versicherten für uns eine hohe Priorität. Nichtsdestotrotz können insbesondere ältere Menschen, die vielleicht in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, von digitalen Versorgungslösungen als Ergänzung zur Regelversorgung profitieren. Hier müssen wir zusammen mit den anderen Akteuren im Gesundheitswesen einen behutsamen Übergang schaffen, unseren Versicherten die Vorteile digitaler Gesundheitsangebote näherbringen und Akzeptanz schaffen.

Karola Schulte führte das Interview. Sie ist Chefredakteurin der G+G.
Bildnachweis: AOK Rheinland/Hamburg