Brauchen wir ein Patientenrechtegesetz 2.0? Darüber diskutierten bei den „Rosenthaler Gesprächen“ Andreas Wagener, Moderator Karl-Dieter Möller, Angelika Beier und Jörg Heynemann (von links).
Diskussionsforum

Nachholbedarf bei Patientenrechten

Im Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und SPD vereinbart, die Patientenrechte zu stärken. Doch zur Halbzeit gibt es dazu noch keine Initiative. Der AOK-Bundesverband forciert das Thema nun auf verschiedenen Ebenen. Von Thorsten Severin

Trotz einer Vielzahl von Gesetzen

und Vorhaben sei zu den Patientenrechten von der Regierung noch nichts angestoßen worden, bedauerte der alternierende Aufsichtsratsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Volker Hansen. Auch in der weiteren Agenda der Großen Koalition finde sich dazu nichts. Bei den „Rosenthaler Gesprächen“, einem Diskussionsforum der Selbstverwaltung, stand das Thema im Mittelpunkt.

Das 2013 verabschiedete Patientenrechtegesetz habe für Patienten, Ärzte und Therapeuten mehr Transparenz über Rechte und Pflichten geschaffen und sei daher ein guter Schritt gewesen, sagte Hansen zur Eröffnung. Doch in der täglichen Praxis zeigten sich Defizite. Als Beispiele nannte er die schwierige Beweislast für Patienten und lange Verfahrensdauern. Dies halte Patienten davon ab, ihre Rechte wahrzunehmen. Daher sei es an der Zeit, das Gesetz weiterzuentwickeln. Hansen begrüßte es, dass die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, der AOK dafür ihre Unterstützung zugesagt hat und das Thema auf die Agenda der Großen Koalition setzen will.

Die AOK-Gemeinschaft hatte unlängst ein Positionspapier vorgelegt, mit dem sie die Politik zum Handeln drängen will. Eine Kernforderung darin ist eine vereinfachte Beweislast. Angelika Beier, Vorsitzende des Gesundheits- und Pflegeausschusses des Aufsichtsrates des AOK-Bundesverbandes, betonte bei den Rosenthaler Gesprächen, um den Zusammenhang zwischen einem Behandlungsfehler und einem dadurch verursachten Schaden zu beweisen, müssten Patienten eine „weit überwiegende Wahrscheinlichkeit“ belegen. Künftig solle aus Sicht der AOK eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ von mehr als 50 Prozent ausreichen. Auf diese Weise werde „Waffengleichheit“ geschaffen.

Patienten müssen drei Dinge beweisen.

Auch für den Fachanwalt für Medizinrecht, Jörg Heynemann, sind Änderungen bei der Beweislast nötig. Der geschädigte Patient müsse derzeit drei Dinge beweisen: den Behandlungsfehler, den erlittenen Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden, was am schwierigsten sei. Ob ein grober oder einfacher Fehler vorliege, sei letztlich die „Gretchenfrage“.

Andreas Wagener, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, vertrat auf dem Podium dagegen die Ansicht: „Wir brauchen kein Patientenrechtegesetz 2.0.“ Auch bedürfe es keiner weiteren Beweiserleichterungen über die hinaus, die es schon gebe. Deutschland verfüge über ein sehr ausgewogenes Haftungssystem. Es werde immer so sein, dass letzten Endes die Gerichte entscheiden müssten.

Kaum offener Umgang mit Fehlern.

Ärzte gehen mit Behandlungsfehlern meist nicht offen um. Das führte Wagener darauf zurück, dass Menschen insgesamt Fehler nicht gerne zugeben würden. Zudem gebe es eine Angst vor drohenden Konsequenzen. Außerdem mahnten die Haftpflichtversicherungen die Ärzte hier zur Zurückhaltung. Auch Heynemann sagte, viele Mediziner würden sich leichter tun, Fehler zuzugeben, wenn sie sich nicht von den Haftpflichtversicherern geknebelt fühlten.

AOK-Vertreterin Beier forderte, Ärzte müssten verpflichtet werden, über einen tatsächlichen oder vermuteten Behandlungsfehler zu informieren, unabhängig davon, ob der Patient nachfrage oder nicht. „Das gehört für mich zu einer vernünftigen Fehlerkultur.“ Heynemann nannte den Ansatz zwar richtig, doch habe er Zweifel, dass eine solche Informationspflicht rechtlich „wasserdicht“ umzusetzen sei.

Haftpflichtversicherung für Mediziner.

Einigkeit herrschte in der Runde über die AOK-Forderung nach einer obligatorischen Haftpflichtversicherung für Ärzte, damit geschädigte Patienten ihre Ansprüche auf Schadensersatz überall durchsetzen können. Bislang existiert eine solche Pflichtversicherung nur in einigen Bundesländern. Beier forderte, eine solche Haftpflicht müsse es nicht nur für Behandler, sondern auch für Medizinproduktehersteller geben.

Thorsten Severin ist Redakteur der G+G.
Bildnachweis: Stefan Melchior