Kongress

Ruf nach mehr Wettbewerb

Gesundheitsminister Jens Spahn sprach beim Kongress des Bundesverbands Managed Care per Videobotschaft zu den rund 600 Teilnehmern. Dennoch waren er und seine zahlreichen Reformen in den mehr als 30 Sessions permanent präsent. Von Thorsten Severin

Zum zehnten Mal

hatte der Bundesverband Managed Care (BMC) zum Bundeskongress nach Berlin geladen. Was einst als kleine Expertenrunde begann, ist für Fachleute aus dem Gesundheitswesen längst zu einer etablierten Informations- und Dialogplattform geworden. Ein festes Motto gab es zum Geburtstag nicht. Doch gehörte die Digitalisierung des Gesundheitswesens ganz klar zu den Top-Themen der zweitägigen Ver­anstaltung. Hierzu wartete der BMC-Vorstandsvorsitzende Professor Volker Amelung mit einer ernüchternden Studie des New Yorker Commonwealth Funds auf: Deutschland sei demnach bei digitalen Anwendungen in der hausärztlichen Versorgung, wie etwa dem Austausch von Daten zwischen den Medizinern, „nicht nur hintendran, sondern wirklich abgeschlagen“. Amelung mahnte, für die Akzeptanz digitaler Anwendungen komme es darauf an, dass für die Anwender ein Nutzen entstehe und nicht nur ein höherer Zeitaufwand.  

Leistungen besser koordinieren.

Der Gesundheitsökonom kritisierte zudem, dass es in vielen Bereichen des Gesundheitswesens keinen Leistungswettbewerb gebe, sondern einen mehr oder weniger vorab definierten Leistungsumfang. Und auch die Geldtöpfe seien festgelegt. Zudem gebe es Nachholbedarf für eine bessere Koordination von Leistungen.

Bei digitalen Anwendungen sind wir nicht nur hintendran, sondern abgeschlagen.

Amelungs Ausblick für die nächsten Monate: „Die Digitalisierung ist an einem Punkt, wo sie zeigen muss, was sie kann.“ Darüber hinaus werde es vor dem Hintergrund teurer Produktinnovationen wohl bald wieder eine Diskussion um Kostendämpfungen geben, nachdem hier rund 15 Jahre Ruhe war. Weitere Herausforderungen seien der Personalmangel und die Alterung der Gesellschaft, denn „die Babyboomer kriegen ihre ersten Zipperlein“, so Amelung.

Debatte über Kostensenkung erwartet.

Auch Eröffnungsredner Franz Knieps, BMC-Vorstand und Vorstand des BKK Dachverbands, zeigte sich überzeugt, dass das Thema Kostensenkung wieder auf die Tagesordnung kommen wird. Zugleich plädierte er wie Amelung für mehr Wettbewerb, von dem zurzeit kaum die Rede sein könne.

Man schaue ein wenig auf die Zusatzbeiträge oder etwa, ob eine Kasse Homöopathie als Leistung anbiete. Das sei es dann aber auch. „Eine echte Differenzierung wollen Politiker aller Couleur nicht hinnehmen. Ich halte das für einen Fehler“, sagte Knieps. Spahn hielt er zugute, dass dieser es mit seinem Angebot zu fairen Debatten ernst meine. Außerdem packe der CDU-Politiker Tabuthemen an. Allerdings mangele es den Gesetzen an „ordnungspolitischer Stringenz“. Auch bemängelte Knieps Spahns Attacken gegen die Selbstverwaltung.

Spahn will Fortschritt bei Digitalisierung.

Der Minister selbst unterstrich in seiner Videobotschaft den Willen, zu Beginn der 20er Jahre nun dringend Geschwindigkeit in die Digitalisierung zu bringen. In den nächsten Jahren wolle er alle, die an der Behandlung der Patienten beteiligt seien, ans Netz anschließen. Die Ärzte seien dazu bereits verpflichtet, als nächstes folgten Krankenhäuser und Apotheken. Auch Pflegeheime, Physiotherapeuten und Hebammen sollten die Möglichkeit erhalten, Teil der Telematikinfrastruktur zu werden.

Von Singapur lernen.

Dr. Jason Cheah, CEO des Woodlands Health Campus in Singapur, berichtete von den umfassenden Digitalisierungsbemühungen in seinem Heimatland. Der Stadtstaat mit seinen 5,7 Millionen Menschen verfolgt eine nationale Smart Health-Strategie. Ziel ist es, allen Einwohnern Datenzugang, Kompetenz und Teilhabe zu ermöglichen. Ein Projekt stellt etwa der digitale Gesundheitsmarktplatz dar. Auf diesem können Pflegebedürftige, Fachkräfte und Dienstleister ihre Bedarfe formulieren und entsprechend vermittelt werden, wie Cheah erläuterte. Für den Norden des Landes baut Singapur unter seiner Leitung zurzeit einen hochmodernen und integrierten Krankenhauscampus, der 2022 fertig werden soll. Dieser umfasst neben dem Akutkrankenhaus unter anderem ein ambulantes Zentrum, ein Pflegeheim, ein Hospiz und einen großen Park zur Erholung.

Kraftakt Obamacare.

Dr. Elizabeth Fowler, Executive Vice President beim Commonwealth Fund, warf einen Blick auf die im Jahr 2010 mit einem Kraftakt eingeführte US-Gesundheitsreform „Oba­macare“. Rückblickend sei es besonders wichtig gewesen, alle Akteure frühzeitig einzubinden und eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Das erste Mal in der Geschichte des Landes seien nun weniger als zehn Prozent der Bevölkerung unversichert, doch steige deren Zahl unter Präsident Donald Trump wieder an, berichtete Fowler.

Thorsten Severin ist Redakteur der G+G.
Bildnachweis: Foto Startseite: iStock/:Prostock-Studio