Thema des Monats

Pflegewirtschaft auf Wachstumskurs

Die Pflege sorgt für mehr Lebensqualität im Alter und kurbelt die Wirtschaft an. Mit dem demografischen Wandel hat die Zahl der Einrichtungen und der Beschäftigten erheblich zugenommen, wie das Branchenporträt von Dr. Sandra Hofmann, Hanna Hryhorova, Dr. Rüdiger Leidner und Dennis Seibert deutlich macht.

Die Gesundheitswirtschaft zählt zu den stärksten Branchen in Deutschland. Ein wesentlicher Teil davon ist die Pflegewirtschaft. Die Covid-19-Pandemie macht einmal mehr deutlich, wie eng Gesundheits- und Pflegewirtschaft zusammenhängen: Es reicht nicht, die Zahl der Krankenhausbetten zu erhöhen – gleichzeitig müssen genügend Ärzte und Pflegekräfte bereitstehen. Die mit der Pandemie zusammenhängenden Versorgungsfragen sind jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrags. Ziel ist vielmehr, die Bedeutung der Pflegewirtschaft anhand aktueller Kennzahlen hervorzuheben.

Gesundheitswirtschaft steigert Wertschöpfung.

In den vergangenen Jahren entwickelte sich die Gesundheitswirtschaft zu einem maßgeblichen Wachstums- und Beschäftigungsfaktor. Sie konnte ihre volkswirtschaftliche Bedeutung in der deutschen Gesamtwirtschaft kontinuierlich steigern. Im Jahr 2019 erwirtschaftete die Branche laut Zahlen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) rund 372 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung (BWS). Das entspricht etwa jedem achten Euro der deutschen Wirtschaftsleistung.

Mit einer BWS – das ist der Wert aller Güter und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft – von mehr als einer Milliarde Euro pro Tag zählt die Gesundheitswirtschaft zu den leistungsstärksten Branchen in Deutschland. Verglichen mit dem Fahrzeugbau, der rund 5,3 Prozent der gesamten volkswirtschaftlichen Leistung ausmachte, trug die Gesundheitswirtschaft mit zwölf Prozent mehr als doppelt so viel bei. Die Gesundheitswirtschaft ist zudem ein sicherer Arbeitgeber, wie die Zahlen des BMWi zeigen. Im Jahr 2019 arbeitete rund jeder sechste Erwerbstätige in Deutschland in diesem Wirtschaftsbereich. Demnach trug die Gesundheitswirtschaft mit 7,5 Millionen Erwerbstätigen 16,6 Prozent zur Beschäftigung bei.

Pflege entwickelt sich dynamisch.

Die Gesundheitswirtschaft verzeichnete von 2010 bis 2019 überdurchschnittliche Wachstumsraten. Insbesondere stieg die Zahl der Erwerbstätigen in der Branche mit durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr fast doppelt so stark wie in der Gesamtwirtschaft (1,1 Prozent). Auch die BWS der Gesundheitswirtschaft wuchs mit 4,1 Prozent pro Jahr stärker als die der Gesamtwirtschaft (3,3 Prozent). Als dynamischer Teilbereich der Gesundheitswirtschaft trägt insbesondere die Pflege zum Wachstum von Wertschöpfung und Beschäftigung der Branche in Deutschland bei.

Grafik: Pflegebedürftige, Pflegeheime und Pflegedienste in Deutschland im Jahr 2017 und deren Wachstum seit dem Jahr 2009

Mehr Pflegebedürftige – mehr Heime und ambulante Dienste: Seit 2009 hat sich die Zahl der Menschen mit nachgewiesenem Unterstützungsbedarf um fast die Hälfte erhöht. Im Jahr 2017 standen den insgesamt 3,4 Millionen Pflegebedürftigen 14.480 stationäre Pflegeeinrichtungen (Zuwachs seit 2009: 24,5 Prozent) und 14.050 ambulante Dienste (Zuwachs: 16,8 Prozent) zur Verfügung.

Quelle: GBE (2020), Berechnung WifOR

Bei der Charakterisierung der Gesundheitswirtschaft darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass neben den rein wirtschaftlichen Aspekten ihr Ziel die Erhaltung beziehungsweise die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung ist. Auch bei den Pflegetätigkeiten liegt das Ziel des Wirtschaftens jenseits der Zahlen und besteht etwa in der Erhaltung der gewohnten Lebensqualität sowie des selbstbestimmten Handelns von älter werdenden, pflegebedürftigen Menschen.

Politik bringt Reformen in Gang.

Das Jahr 2020 hat die Weltgesundheitsorganisation zum Internationalen Jahr der Pflegekräfte und Hebammen deklariert. Dies betont zum einen die Herausforderungen dieser Teilbranche der Gesundheitswirtschaft und zum anderen die Notwendigkeit der Wertschätzung dieser Berufe und damit einer Reform der Pflegebedingungen seitens der politisch Verantwortlichen.

Die Pflege betrifft viele Menschen, sei es als Pflegebedürftige, Angehörige oder Pflegende. Dringender Handlungsbedarf zur Sicherung einer umfassenden und qualitativ hochwertigen Pflegeversorgung bestand schon lange vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Das Bundesgesundheitsministerium hatte deshalb gemeinsam mit dem Bundesfamilien- und Bundesarbeitsministerium die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) ins Leben gerufen. Diese zielt insbesondere darauf ab, den Pflegenotstand mithilfe von Ausbildungs-, Personal- und Vergütungsneuregelungen abzumildern. Die Ergebnisse der KAP sind vor dem Hintergrund der weiter steigenden Zahl von Pflegebedürftigen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel wichtige erste Schritte auf dem Weg zu einer Pflege, die den Bedürfnissen körperlich oder mental eingeschränkter älterer Menschen gerecht wird und gleichzeitig die Belange der Beschäftigten berücksichtigt.

Ausgabenseitige Betrachtung greift zu kurz.

Im Jahr 2017 lebten in Deutschland insgesamt 3,4 Millionen Pflegebedürftige. Seit 2009 ist diese Zahl um 46 Prozent gewachsen. Der steigende Bedarf an pflegerischer Versorgung erfordert die entsprechende Verfügbarkeit an Einrichtungen und Diensten. Laut Statistischem Bundesamt boten 14.480 Heime und 14.050 ambulante Dienste im Jahr 2017 ihre Leistungen an (siehe Grafik „Pflege investiert“). Seit dem Jahr 2009 hat die Zahl der Heime und ambulanten Dienste zugenommen. Die Pflegeheime weisen ein deutlich stärkeres Wachstum auf: Hier sind seit 2009 rund ein Viertel Einrichtungen hinzugekommen. Die Zahl der Pflegedienste ist im gleichen Zeitraum um rund 17 Prozent gestiegen. Die Pflege steht in Deutschland dennoch weiterhin vor strukturellen und personellen Herausforderungen. Um dieser Problematik zu begegnen, muss die Politik konkrete Lösungen kommunizieren und umsetzen. Die Investitionen in die Ausbildung, das Anwerben und Halten des Pflegepersonals, sei es durch höhere Vergütung oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sind wichtige Schritte zur Sicherung der künftigen Pflegeversorgung.

Die Gesundheitswirtschaft trägt mehr als doppelt so viel zur gesamten volkswirtschaftlichen Leistung bei wie der Fahrzeugbau.

Die Pflege wird vor dem Hintergrund der im Rahmen der KAP angedachten Investitionen allerdings hauptsächlich als Kostenverursacher und weniger als Beschäftigungs- und Wertschöpfungsfaktor gesehen. Die rein ausgabenseitige Betrachtung der Pflegeversorgung greift jedoch zu kurz und vernachlässigt den volkswirtschaftlichen Beitrag der Pflege als Branche. Die Pflege ist ein wichtiger und dynamischer Teilbereich der Gesundheitswirtschaft und damit auch ein Motor von Wertschöpfung und Beschäftigung. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in Deutschland wird die Pflege künftig nicht nur an politischer und gesellschaftlicher, sondern auch an volkswirtschaftlicher Bedeutung gewinnen – vorausgesetzt, Politik und Gesellschaft bewältigen die bestehenden Herausforderungen.

Angehörigenpflege verschärft Engpässe anderer Branchen.

Einen Großteil der Pflegetätigkeit leisten Angehörige. Diese „Haushaltsproduktion“ schlägt sich weder in der amtlichen Bruttowertschöpfung noch in den Beschäftigtenzahlen im Pflegebereich nieder. Sie verringert sogar in gewissem Umfang die amtlich gemessene Bruttowertschöpfung aller Branchen, da pflegende Angehörige vielfach ihre Erwerbstätigkeit einschränken. Ohne die Angehörigenpflege wären sowohl der Pflegenotstand als auch die Kosten der Pflege deutlich höher. Dies hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass die Pflegeeinrichtungen die Betreuung aller Pflegebedürftigen nicht gewährleisten können und diese somit auf die informelle Pflege, unter anderem aus dem familiären Umfeld, verlagert werden muss. Menschen im erwerbsfähigen Alter, die diese informellen Pflegeleistungen erbringen, können nicht in vollem Umfang oder gar nicht ihrem erlernten Beruf nachgehen. Somit wirkt sich der Engpass in der Pflege indirekt auf die Personalsituation anderer Branchen aus.

Pflegewirtschaft wächst überdurchschnittlich.

Im Jahr 2019 arbeiteten insgesamt 1,7 Millionen Erwerbstätige in der Pflege. Demnach entfiel rund ein Viertel der Beschäftigung innerhalb der Gesundheitswirtschaft auf die Pflege (siehe Grafik „Pflege boomt“). Seit dem Jahr 2010 sind rund 412.000 zusätzliche Erwerbstätige hinzugekommen. Die Beschäftigung innerhalb der Pflege ist jährlich um durchschnittlich drei Prozent gewachsen, und damit deutlich stärker als die Beschäftigung in der Gesundheitswirtschaft insgesamt (zwei Prozent).

Die Pflege trägt maßgeblich zur Wertschöpfung in Deutschland bei. Im Jahr 2019 generierte die Branche gemäß der amtlichen Statistik, also ohne Berücksichtigung der Pflege durch Angehörige, eine BWS von rund 43,1 Milliarden Euro. Das entspricht rund zwölf Prozent der gesamten Wertschöpfung der Gesundheitswirtschaft. Die BWS der Pflegewirtschaft wuchs mit 6,2 Prozent pro Jahr im Vergleich zur BWS der gesamten Gesundheitswirtschaft (4,1 Prozent) überdurchschnittlich. Seit dem Jahr 2010 ist die Teilbranche somit um 18,1 Milliarden Euro gewachsen. Die Dynamik der Pflegewirtschaft unterstreicht ihre besondere Stellung in der Gesundheitswirtschaft und betont ihre Bedeutung in der Gesamtwirtschaft.

Ambulanter Bereich bei Beschäftigung vorn.

In stationären Pflegeeinrichtungen arbeiteten im Jahr 2019 rund 750.000 Beschäftigte. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen der Gesundheitswirtschaft lag bei zehn Prozent. Seit dem Jahr 2010 ist die Zahl der Beschäftigten in der stationären Pflege mit durchschnittlich 2,4 Prozent stärker gewachsen als in der Gesundheitswirtschaft insgesamt (zwei Prozent). Zudem betrug die BWS in der stationären Pflege im Jahr 2019 rund 24,2 Milliarden Euro. Die Dienstleistungen der stationären Einrichtungen machten 6,5 Prozent der Wertschöpfung innerhalb der Gesundheitswirtschaft aus. Seit dem Jahr 2010 ist die Wertschöpfung in den stationären Pflegeeinrichtungen mit durchschnittlich 4,9 Prozent pro Jahr stärker gestiegen als in der gesamten Branche (4,1 Prozent).

Grafik: Bruttowertschöpfung und Erwerbstätige in der Pflege in Deutschland im Jahr 2019

Mit einer Bruttowertschöpfung – das ist der Wert aller Güter und Dienstleistungen einer Branche – von 43,1 Milliarden Euro im Jahr 2019 hatte die Pflegewirtschaft einen Anteil von annähernd zwölf Prozent an der Gesundheitswirtschaft insgesamt. Die Branche beschäftigte im selben Jahr 1,7 Millionen Menschen.

Quelle: BMWi; GGR, Ausgabe 2019; Berechnung WifOR

Die dynamische Entwicklung der Pflege zeigt sich insbesondere im ambulanten Bereich. Seit dem Jahr 2010 ist die Erwerbstätigenzahl der ambulanten Pflege mit 3,6 Prozent pro Jahr deutlich stärker gestiegen als die der stationären Einrichtungen und der gesamten Gesundheitswirtschaft. Insgesamt ist die Erwerbstätigenzahl in der ambulanten Pflege auf eine Millionen Beschäftigte gewachsen und machte im Jahr 2019 rund 13,3 Prozent der gesamten Gesundheitswirtschaft aus. Ebenfalls überdurchschnittlich dynamisch entwickelte sich die in den ambulanten Diensten generierte Wertschöpfung. Seit dem Jahr 2010 stieg diese mit 8,3 Prozent pro Jahr stärker als im stationären Bereich und doppelt so stark wie in der gesamten Gesundheitswirtschaft. Im Jahr 2019 erbrachte die ambulante Pflege 18,9 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung und machte somit rund 5,1 Prozent der gesamten Branche aus.
 
Die Daten und Fakten zur Pflegewirtschaft in Deutschland zeigen eindrucksvoll, dass die Branche einen beträchtlichen Beitrag zu Wertschöpfung und Beschäftigung hierzulande leistet. Aber auch eine leistungsstarke Branche benötigt weitere Investitionen, um eine umfassende Pflegeversorgung sicherzustellen, den Pflegefachkräften eine solide Grundlage zur Berufsausübung zu bieten, gleichzeitig die Pflege effizienter zu gestalten und somit die Gesellschaft nicht übermäßig zu belasten.

Digitalisierung entlastet Pflegekräfte.

Um das Ziel einer nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Pflegeversorgung zu erreichen, nutzen Pflegeeinrichtungen zunehmend auch innovative digitale Möglichkeiten. Die Digitalisierung in der Pflege hat viele Facetten. Dazu gehören unter anderem Systeme für die digital gestützte Pflegeplanung, technische Assistenzsysteme oder Pflegeroboter. Digitale Technologien können helfen, Pflegekräfte zu entlasten und damit sowohl eine wirtschaftlich effiziente als auch eine qualitativ hochwertige Versorgung bewirken. Best-Practice-Beispiele zeigen, dass digitale Anwendungen und standardisierte Prozesse etwa wiederkehrende Tätigkeiten übernehmen können, die nicht die pflegerische Unterstützung der Patienten direkt betreffen. Eine digital unterstützte Einnahme von Medikamenten beispielsweise schützt die Gesundheit des Patienten und entlastet Pflegekräfte in ihrem Berufsalltag.

Neue Technologien im Praxistest.

Verschiedene Forschungs- und Pflegeeinrichtungen testen und evaluieren Projekte der Digitalisierung in der Pflege. Im Folgenden werden drei Projekte exemplarisch vorgestellt, um deutlich zu machen, welchen Nutzen die Digitalisierung für die Pflegepraxis künftig bringen könnte. So entwickelten und erprobten der sächsische Pflegedienst Kerstin Steuer, die Technische Universität Dresden und die CareSocial GmbH im Rahmen des Projekts „Einfach:ambulant.“ von 2016 bis 2019 zwei digitale Anwendungen zur Pflegedokumentation. Mithilfe eines Webportals konnten zum einen die Pflegebedürftigen in einen informativen Austausch mit ihren Angehörigen treten. Zum anderen unterstützte eine App die am Projekt beteiligten ambulanten Pflegedienste bei der Dokumentation. Die Auswertung des Projekts ergab, dass die Pflegekräfte eine Abnahme des Zeitaufwands bei der Pflegedokumentation wahrnahmen und sich der Pflegeprozess deshalb optimierte.

Die Digitalisierung könnte die Attraktivität der Pflegeberufe erhöhen.

Im Projekt „Telepflege. Das Unterstützungsnetzwerk für eine optimale Versorgung zu Hause“ testet die Johanniter-Unfall-Hilfe in den Regionen Oldenburg und Wesermarsch seit 2017 telemedizinische Methoden zur Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Im diesem Projekt nutzen pflegende Angehörige und Hilfskräfte audiovisuelle Kommunikationstechnologien zur Konsultation, Diagnostik und in medizinischen Notfällen. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass die Pflegebedürftigen die Telemedizin als Hilfestellung für die Pflegekräfte empfinden. Sie betrachten jedoch die technischen Lösungen zur Überwindung der räumlichen Distanz selbst mit Unsicherheit und Skepsis. So fühlen sich beispielsweise Pflegebedürftige mit einer Demenzerkrankung oder geringen Technikkenntnissen von der Innovation überfordert. Andere Pflegebedürftige befürchten durch die Pflege auf Distanz eine „Entmenschlichung der Versorgung“.

Die Caritas Sozialstation Erlenbach in Bayern testet seit dem Jahr 2019 mit wissenschaftlicher Begleitung der Friedrich-Schiller-Universität Jena in einem zweijährigen Projekt den Nutzen des Roboters Pepper in der Tagespflege. Das Ziel des Roboter-Einsatzes besteht in der Entlastung des Pflegepersonals in verschiedensten Bereichen des Arbeitsalltags. Die Funktionen des Roboters reichen von Führung der Anwesenheits- und Checklisten bis hin zur Beschäftigung mit den Senioren zur Überbrückung der Wartezeit vor der Medikamenten- oder Essensaufnahme. Die ersten Rückmeldungen zur Einbindung von Pepper in den Pflegealltag sind positiv, wobei sich insbesondere das Personals bei den Routinetätigkeiten entlastet fühlt.

Längere Selbstständigkeit im eigenen Zuhause ermöglichen.

Verschiedene Projekte weisen demnach auf einen möglichen Nutzen innovativer digitaler Anwendungen in der Pflege hin. Allerdings stehen einheitliche Regelungen zur Finanzierung solcher Anwendung durch die gesetzliche Krankenversicherung noch aus. Zudem fehlt es bei Pflegebedürftigen und Pflegenden vielfach an Akzeptanz der neuen Technologien. Dabei bleibt der mögliche Nutzen der Digitalisierung in der Pflege außer Acht. Beispielsweise könnten unterstützende digitale Technologien älteren Menschen eine längere Selbstständigkeit im eigenen Zuhause ermöglichen. Dazu müssen die Technologien für die häusliche Umgebung altersgerecht und barrierefrei gestaltet sein. Die Erleichterung der Dokumentation von Pflegetätigkeiten macht Kapazitäten für eine intensivere Beschäftigung mit den pflegebedürftigen Menschen frei.

Die Digitalisierung in der Pflege dient der Entlastung von Pflegekräften sowie der Steigerung der Versorgungsqualität in der Pflege. Digitale Technologien unterstützen das Pflegepersonal, können es aber nicht ersetzen. Nebenbei erweitern Pflegekräfte damit ihre Qualifikation, und es könnten weitere Berufe entstehen. Damit haben digitale Technologien das Potenzial, die Beschäftigung in der Pflege vielseitiger und attraktiver zu machen.

Versorgung sichern.

Die Gesundheitswirtschaft ist eine der zukunftsträchtigsten Branchen Deutschlands. Die Pflege als einer ihrer zentralen Teilbereiche nimmt hierbei sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch eine besondere Stellung ein. Die dynamische Entwicklung der Pflegewirtschaft in den vergangenen Jahren identifiziert sie als Wertschöpfungs- und Beschäftigungsfaktor. Ihr überdurchschnittliches Wachstum im Vergleich zur gesamten Gesundheitswirtschaft betont sowohl ihre Bedeutung für die Versorgung der Pflegebedürftigen als auch ihre treibende Kraft in der Gesamtwirtschaft.

Eine der großen zukünftigen Chancen der Pflegewirtschaft liegt in der Digitalisierung. Der Einzug innovativer technologischer Konzepte kann sowohl die Versorgung der Bevölkerung verbessern als auch das Pflegepersonal bei der pflegerischen Zuwendung unterstützen. Eine grundlegende Akzeptanz und eine einheitliche Finanzierung von innovativen Technologien in der Pflege sind wichtige Investitionen zur Sicherung einer effizienten Pflegeversorgung in Deutschland.

Sandra Hofmann ist Forschungsleiterin Internationale Sozialpolitik am Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR.
Hanna Hryhorova ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im WifOR
Rüdiger Leidner, Volkswirt und Beamter im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie a.D., ist freier Mitarbeiter im WifOR.
Dennis Seibert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Internationale Sozialpolitik bei WifOR.
Oliver Weiss ist Illustrator und Designer.
Bildnachweis: Titelfoto Startseite: iStock/Nina Russkova