Der Wechsel von Knie- und Hüftprothesen birgt für die Patienten viele Gefahren.
Operationen

Qualität wächst mit der Routine

Beim Wechsel von Hüft- oder Knieprothesen kommt es deutlich seltener zu Komplikationen, je häufiger in einer Klinik ein solcher Eingriff stattfindet. Experten raten zu Operationen in spezialisierten Zentren und zu mehr gesetzlichen Mindestmengen. Von Thorsten Severin

Wenn in einem Krankenhaus

eine komplizierte Operation 20 Mal im Jahr durchgeführt werde, könne ihm niemand sagen, dass dies in der gleichen Qualität geschehe wie in einem Krankenhaus, das diese Operation 200 Mal im Jahr durchführe, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im vergangenen Jahr. Der Satz diente dem CDU-Politiker zur Begründung für die Einführung von Mindestmengen für verschiedene Indikationen. Zwei Studien des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die kürzlich im „Journal of Arthroplasty“ veröffentlicht worden sind, geben Spahn einmal mehr recht.

Die Erhebungen basieren auf Analysen der Abrechnungsdaten von mehreren Tausend bei der AOK versicherten Patienten, bei denen die Prothese wegen Verschleiß oder Lockerung ausgetauscht werden musste. In die Auswertung zum Hüftprothesenwechsel sind anonymisierte Daten aus rund 17.800 OPs eingeflossen, die zwischen 2014 und 2016 bei mehr als 16.300 AOK-Versicherten stattfanden. Die Wechsel-Operation ist mit deutlich mehr Komplikationen verbunden als die Erst-Implantation einer Hüftprothese, denn oft lässt sich das neue Implantat nach dem Entfernen der alten Prothese schwieriger verankern.

Klare Resultate.

Das spiegelt sich in den Ergebnissen wider: Bei jeder siebten Operation musste innerhalb eines Jahres neu operiert werden. 2,6 Prozent der Patienten verstarben innerhalb von 90 Tagen nach dem Eingriff. In Kliniken, die nur wenige Operationen pro Jahr durchführten, gab es höhere Komplikations- und Sterblichkeitsraten als in den Krankenhäusern mit hohen Fallzahlen. So lag die Revisionsrate in Kliniken mit jährlich zwölf oder weniger Fällen um ein Viertel höher als in Kliniken mit mindestens 53 Fällen pro Jahr, die Sterblichkeitsrate lag sogar 113 Prozent höher. Auch in Kliniken mit jährlich 13 bis 24 Eingriffen waren die Komplikationsraten um 18 beziehungsweise 79 Prozent erhöht.

Höheres Risiko bei wenigen OPs pro Jahr.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Wechsel von Knieprothesen: Hier wurden Daten zu rund 23.600 OPs zwischen 2013 und 2017 bei knapp 21.600 Patienten berücksichtigt. Die Gesamtrate der Fälle, in denen innerhalb eines Jahres eine erneute, nicht geplante Operation notwendig war, lag bei 8,5 Prozent. In Kliniken mit mehr als 53 OPs pro Jahr war die Revisionsrate mit 7,4 Prozent deutlich niedriger als in Kliniken mit weniger als zwölf OPs, die eine Revisionsrate von 9,4 Prozent aufwiesen. Das entspricht einer Risikoerhöhung in Kliniken mit niedrigen Fallzahlen um das 1,44-fache. Das Risiko für unerwünschte Ereignisse wie Blutungen oder Infektionen lag in der Gruppe der Kliniken mit den höchsten Fallzahlen (2,4 Prozent) ebenfalls niedriger als in der Gruppe der Kliniken mit den niedrigsten Fallzahlen (3,4 Prozent).

Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) zeigen die Ergebnisse, dass Prothesenwechsel in spezialisierten Zentren durchgeführt werden sollten. „Der Wechsel eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks ist ein komplexer medizinischer Eingriff, der viel operative Erfahrung und spezielle medizinische Logistik erfordert“, erläutert DGOOC-Vizepräsident Professor Andreas Halder. In spezialisierten Einrichtungen wie dem EndoProthetikZentrum (EPZ) und dem Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung (EPZmax) der DGOOC gelten bereits heute Mindestmengen für Wechseloperationen.

Mindestmengen für Prothesenwechsel.

WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber fordert, weiter an der Qualitätsagenda für die Kliniken zu arbeiten und die aktuellen Mindestmengen-Regelungen auszuweiten: „Die Einführung von gesetzlichen Mindestmengen für die Prothesenwechsel an Hüfte und Knie ist überfällig.“ Es sei unverständlich, dass nur für die deutlich komplikationsärmere Erstimplantation einer Knieprothese seit 2004 eine gesetzliche Mindestmenge von 50 Eingriffen gelte. Mindestmengen werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassen.
 
Einen Überblick über die höchst unterschiedlichen Fallzahlen und Qualitätsergebnisse der einzelnen Kliniken bei Prothesenwechseln gibt der AOK-Krankenhausnavigator.

Thorsten Severin ist Redakteur der G+G.
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