Neues aus der Uni

„Privatisierung führt nicht zu einer besseren Versorgung“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. rer. pol. Claus Wendt, Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie der Gesundheit und des Gesundheitssystems an der Universität Siegen.

Herr Professor Wendt, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Claus Wendt: Es geht darum, wie Gesundheitsversorgung, soziale Pflege und Public-Health-Maßnahmen miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt werden. Über einen internationalen Vergleich erfassen wir, wie man dadurch die Gesundheit der Menschen verbessern, gesundheitliche Ungleichheit reduzieren und Risikogruppen auch in gesundheitlichen Krisenzeiten schützen kann. Einzelne Institutionen sind nicht in der Lage, alleine ein hohes Niveau der Gesundheit und der sozialen Sicherheit zu schaffen, auch nicht ein Gesundheitssystem, das ein besonders hohes Leistungsniveau aufweist. Von Bedeutung ist dabei, wie auf lokaler Ebene – dort, wo die Menschen leben – Leistungen zusammengeführt werden, die für die Gesundheit wichtig sind.

Portrait von Prof. Dr. rer. pol. Claus Wendt. Er ist Professor für Soziologie der Gesundheit und des Gesundheitssystems an der Universität Siegen

Zur Person

Claus Wendt ist seit 2009 Professor für Soziologie der Gesundheit und des Gesundheitssystems an der Universität Siegen. Auf das Studium der Politischen Wissenschaft, Soziologie und Volkswirtschaftslehre in Heidelberg und Leicester folgten Stationen als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Postdoc, Dozent und Fellow an den Universitäten Heidelberg, Roskilde/Dänemark, Bremen und Harvard/USA. Von 2005 bis 2010 war Wendt Senior Research Fellow und Projektleiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung; seit 2014 ist er dieser Einrichtung als External Fellow verbunden.

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Wendt: Forschungskooperationen und die damit verbundenen Innovationen entstehen aus Eigeninitiative und einem hohen Interesse am wissenschaftlichen Austausch. Das wird am Lehrstuhl unterstützt, indem frühzeitig die Teilnahme an Konferenzen, Nachwuchsworkshops und Methodenschulungen ermöglicht wird. Ein solches Vertrauen wird zurückgezahlt. Eine Postdoktorandin hat in kurzer Zeit eine hoch innovative Nachwuchsforschungsgruppe aufgebaut, die mit Hilfe eines interdisziplinären Experten-Netzwerkes die Medikalisierung sozialer Probleme analysiert.  

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Wendt: Die Politik muss wissenschaftliche Innovationen schneller aufgreifen und umsetzen. Über internationale Vergleiche ist es möglich, von anderen Ländern zu lernen und festzustellen, welche Konzepte sich für die Förderung und den Schutz der Gesundheit als besonders erfolgreich erwiesen haben. Viele Politikerinnen und Politiker erwarten nach wie vor erhebliche Effizienzgewinne von einer Stärkung des Wettbewerbs, obwohl Gesundheitssystemvergleiche wiederholt gezeigt haben, dass Wettbewerb und Privatisierung nicht zu einer besseren Versorgung der Patientinnen und Patienten führen.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
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