Digitalisierung

Patientenakte startet zum Marathon

Seit Jahresbeginn haben alle Versicherten Anspruch auf eine elektronische Patientenakte. Die Umsetzung wird sich allerdings über einen längeren Zeitraum hinziehen. Noch ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Von Thomas Rottschäfer

Für Bundesgesundheitsminister

Jens Spahn markiert der 1. Januar 2021 das Ende des Fax-Zeitalters im deutschen Gesundheitswesen. Die elektronische Patientenakte (ePA) soll der noch weitgehend auf Papier gestützten Kommunikation digitalen Schub verleihen und die Patienten in die Lage versetzen, ihre Gesundheitsdaten selbst zu verwalten. Seit 1. Januar müssen gesetzliche Krankenversicherungen ihren Versicherten auf deren Wunsch hin eine ePA als geschützten Speicher für ihre persönlichen Gesundheits- und Krankheitsdaten zur Verfügung stellen. Die Verwendung ist freiwillig.

Start in Testregionen.

„Die ePA ist ein zukunftsweisendes Projekt. Sie wird die Vernetzung der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen unterstützen und einen echten Nutzen für unsere Ver­sicherten haben, wenn sie erst einmal flächendeckend eingesetzt und von den Ärzten befüllt wird“, sagt der Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch. Der „große Durchbruch“ sei mit dem Start noch nicht verbunden. „In den nächsten Monaten werden nur ausgewählte Arztpraxen in den Testregionen in Berlin und in Westfalen-Lippe Daten in die ePA der Versicherten einspielen können“, erläutert Litsch. Auch bei der Einbindung der ePA in die Verwaltungssysteme der Arztpraxen und Krankenhäuser ruckele es noch. „Das Ganze ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, so Litsch. „Doch mit jeder Arztpraxis, die dazukommt, jedem Versicherten, der die ePA aktiv nutzt, und jeder Anwendung, die im Laufe der Zeit startet, wird die Sache spannender.“

Über eine App können Versicherte Arztbefunde und Diagnosen in die elektronische Akte laden.

Zugriff auf ihre ePA erhalten die Versicherten in der ersten Ausbaustufe über eine App ihrer Krankenkasse. Die elf AOKs stellen ihren Versicherten dazu die Smartphone-App „Mein Leben“ für die Betriebssysteme iOS und Android zur Verfügung. Zu den Dokumenten und Daten, die Nutzer bereits selbst in ihre elektronische Patientenakte hochladen können, gehören Arztbefunde und Diagnosen, eigene Aufzeichnungen und Arzt- oder Zahnarztbriefe.

Weitere Dokumente speichern.

Ab 2022 soll es möglich sein, über die ePA die elektronischen Versionen von Zahn-Bonusheft, U-Heft für Kinder, Mutterpass und Impfdokumentation oder elektronische Verordnungen und Informationen der Krankenkasse über in Anspruch genommene Leistungen zu verwalten. Auch elektronische Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen können dann in der elektronischen Patientenakte archiviert werden.
 
Damit verbunden soll das Berechtigungsmanagement erweitert werden. Es ermöglicht den Versicherten, im Einzelnen festzulegen, welcher Leistungserbringer bestimmte Daten abrufen darf. 2021 kann noch jeder vom Nutzer für den ePA-Zugriff zugelassene Leistungserbringer pauschal alle in einem Ordner freigebenen Dokumente einsehen. Ab 2022 sollen ePA-Nutzer genau angeben können, welcher Befund von wem eingesehen werden darf.

Akzeptanz steigern.

Abgesehen von weiteren technischen Hürden mangelt es nach Ansicht von AOK-Verbandschef Martin Litsch bei vielen Ärzten und Krankenhäusern noch an Akzeptanz für die ePA. Hier hätten Kassenärztliche Vereinigungen und die für den Aufbau der Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen zuständige gematik GmbH viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Die AOKs beantworten Fragen im Zusammenhang mit der ePA-Einführung unter www.aok.de/meinleben (für Versicherte) und www.aok.de/gp (für Leistungserbringer).

Das Einbinden weiterer Gesundheitsberufe in die Telematik-Infrastruktur, darunter Pflegeeinrichtungen und Physio- oder Ergotherapeuten, hält der Vorstandsvorsitzende für sinnvoll. Das sollte aber erst nach Entwicklung und Zulassung eines Software-Konnektors erfolgen. Laut AOK-Bundesverband liegen die Kosten für Ausstattung und Betrieb der hardwarebasierten Konnektoren bei den bisher angeschlossenen Krankenhäusern, Ärzten und Zahnärzten schon jetzt bei mehr als zwei Milliarden Euro in einem Austausch-Zyklus von fünf Jahren. „Dieses Geld fehlt in der Versorgung“, bemängelt Litsch.
 
Entsprechend positiv bewerte die AOK die von Jens Spahn im Entwurf für das Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege angekündigte Entwicklung eines „Zukunftskonnektors“.

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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