G+G-Wissenschaft

Tüfteln an der Versorgung

Das Digitale-Versorgung-Gesetz hat die Laufzeit des Innovationsfonds bis 2024 verlängert. Doch was fördert der ganz konkret? Drei Analysen liefern Antworten. Von Ines Körver

Neu und innovativ ist nicht das Gleiche.

Wer sich mit Arzneimitteln auskennt, für den ist das ein alter Hut. Auch Otto Normalpatient weiß das: Covid-19 ist neu, aber innovativ ist es nun wirklich nicht. Wir hätten alle liebend gerne darauf verzichtet. Was aber ist innovativ? Im Gesundheitswesen ist das keine triviale Frage, und manchmal ist es geboten, einfach mal etwas auszuprobieren und zu gucken, was das für Konsequenzen hat. In etwa dieser Logik folgt auch der 2016 gestartete Innovationsfonds. Der stellte von 2016 bis 2019 jährlich 225 Millionen Euro für neue Versorgungsformen zur Verfügung, die möglichst sektorenübergreifend und hinterher dauerhaft in die Versorgung überführbar sein sollen. Darüber hinaus fördert er die Versorgungsforschung mit 75 Millionen Euro. Von 2020 bis 2024 dürfen jährlich 160 Millionen Euro für neue Versorgungsformen und 40 Millionen für die Versorgungsforschung bereitgestellt werden.

Eifrig werden beim Innovationsfonds Anträge gestellt und bewilligt. Doch was sind das für Projekte, und was kommt dabei heraus? Diese Frage hat die Redaktion der G+G-Wissenschaft bewegt. Die Blattmacher haben sich an Telefone und Tastaturen geschwungen und nachgefragt. Drei Analysen sind daraus entstanden. Die erste stellt das Projekt Strukturmigration im Mittelbereich Templin (StimMT) vor. Es knackt erfolgreich die typischen Versorgungsprobleme auf dem Land und liefert hervorragende medizinische Ergebnisse. Da das Innovationsfondsprojekt aber am 31. Dezember 2020 auslief und das Gesundheitswesen so organisiert ist, wie es nun mal ist, steht der Fortbestand in den Sternen.

Die zweite Analyse widmet sich der

ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung. Die bietet seit 2012 Krankenhaus- und niedergelassenen Ärzten die Möglichkeit, Patienten mit seltenen Erkrankungen oder besonderem Versorgungsbedarf gemeinsam in einem einheitlichen Ordnungsrahmen zu betreuen. Nach anfänglichem Zögern nimmt diese Versorgungsform auch Fahrt auf. Wie der Beitrag jedoch zeigt, steht der Patient dabei immer noch tendenziell im Wege, und bürokratische Details sorgen dafür, dass diese Versorgungsform ihr Potenzial längst noch nicht ausgeschöpft hat.

Und wie sieht es bei der Versorgungsforschung aus?

Eine dritte Analyse zeigt, was sich über Krankheitslasten und Schweregrade von Erkrankungen mithilfe von Routinedaten sagen lässt. Die Autoren stellen einen Beitrag zu BURDEN 2020 vor. Dabei wird der Ansatz der Krankheitslastberechnung aus der internationalen Studie Global Burden of Disease (GBD) auf Deutschland übertragen, angepasst und erweitert. Eine Fülle von Zahlen zum Vorkommen von Typ-2-Diabetes und Lungenkrebs zeigt beispielhaft, wie viel Wissen sich mithilfe von Routinedaten generieren lässt.

Ob der Innovationsfonds eine sinnvolle Konstruktion

ist, war schon zum Zeitpunkt seines Entstehens umstritten. Vielfach ist beispielsweise der Ansatz kritisiert worden, dass die Projekte das Potenzial haben sollten, dauerhaft in die Versorgung aufgenommen zu werden. Warum sich Mühe machen und einen Versorgungsvorteil für die eigene Krankenkasse oder Region erarbeiten, wenn sich hinterher alle dranhängen können? Und: Sagt ein lokaler Erfolg etwas über die Einführbarkeit einer Versorgungsform in ganz Deutschland? Vielleicht sind die Rahmenbedingungen anderswo ja signifikant anders und der Erfolg würde sich dort gar nicht einstellen? Solche Fragen werden in der aktuellen G+G-Wissenschaft nicht thematisiert. Die Redaktion hat sie aber auf dem Radar und will sie in gegebener Zeit ebenfalls behandeln.