Neues aus der Uni

„Interdisziplinäre Pandemieräte sollten die Politik beraten“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. Christian Apfelbacher PhD, Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Herr Professor Apfelbacher, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Christian Apfelbacher: Die eine wichtigste Fragestellung kann ich gar nicht benennen. Mir wichtige Fragestellungen beziehen sich unter anderem auf die Lebensqualität von Patienten mit chronischer, aber auch nach kritischer Erkrankung. Eigene Forschung zur Lebensqualität von Patienten nach akutem Lungenversagen und intensivmedizinischer Behandlung hat im Zuge der Covid-19-Pandemie eine unerwartete Aktualität erhalten. Weiter beschäftige ich mich mit der Frage, wie man rasch erzeugte oder sich wandelnde wissenschaftliche Evidenz (zum Beispiel in einer pandemischen Lage) so zusammenfassen und aufbereiten kann, dass Bürgerinnen und Bürger, Patientinnen und Patienten, die Gesundheitsprofessionen und (politische) Entscheidungsträger gute gesundheitsbezogene Entscheidungen treffen können.

Porträt von Christian Apfelbacher, Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Zur Person

Prof. Dr. Christian Apfelbacher PhD leitet seit 2019 das Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Apfelbacher studierte Philosophie in München sowie Public Health in London und promovierte an der Universität Heidelberg und der Brighton & Sussex Medical School. Ab 2011 war er am Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin der Universität Regensburg tätig, zuletzt als Professor für Medizinische Soziologie.

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Apfelbacher: Das Team des ISMG ist selbst schon multidisziplinär zusammengesetzt (Public Health, Psychologie, Soziologie, Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Epidemiologie), sodass interdisziplinäre Kooperation selbstverständlich und tagtäglich stattfindet. Ansonsten ermutige ich Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zur Teilnahme an wissenschaftlichen Kongressen und spezifischen Weiterbildungsangeboten in Magdeburg und darüber hinaus. Ein besonderes Anliegen ist die internationale Netzwerkbildung.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Apfelbacher: „Die Wissenschaft“ gibt es ja gar nicht, sondern „die Wissenschaften“, also eine Vielstimmigkeit wissenschaftlicher Rationalität. In der Covid-19-Pandemie hätte ich sehr begrüßt, wenn systematisch interdisziplinäre Pandemieräte zur Politikberatung eingerichtet worden wären – besonders auf Bundesebene. Public Health ist übrigens eine Multidisziplin, die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche, medizinische, ethische und epidemiologische Erkenntnisse mit Blick auf Förderung und Erhalt der Bevölkerungsgesundheit und des Abbaus gesundheitlicher Ungleichheit bündelt. Damit hätten wir eine Leitdisziplin für die wissenschaftliche Politikberatung in der Pandemie. Public Health ist nur in Deutschland nicht so umfassend etabliert wie es wünschenswert wäre.

Diese Rubrik finden Sie auch in der Wissenschaftsbeilage der G+G. Hier geht es zur aktuellen G+G-Wissenschaft.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
Bildnachweis: Universitätsmedizin Magdeburg, Foto Startseite: iStock.com/uschools