Porträt
Kommentar

Reformdruck steigt

Höhere Löhne lassen die Eigenanteile bei der Altenpflege steigen. Doch die notwendige große Pflegereform wird wohl eher in der nächsten Wahlperiode kommen, meint Hajo Zenker.

„Idealerweise“

soll die Reform der Pflegefinanzierung laut Gesundheitsminister Jens Spahn noch bis zur Bundestagswahl in Sack und Tüten sein – aber was ist schon ideal in Pandemiezeiten? So lag das Projekt in seinem Ministerium zunächst wegen Corona längere Zeit auf Eis. Als dann erste Ideen präsentiert wurden, stießen die selbst in den Regierungsfraktionen auf Kritik.
 
Dabei wächst der Druck, das Problem endlich anzugehen. Der Hintergrund ist ein eigentlich erfreulicher: Die lange unterbezahlten Altenpflegekräfte stehen zwar gerade in der Pandemie unter besonderem Stress, verdienen aber zumindest Stück für Stück mehr Geld. Laut Institut der deutschen Wirtschaft kamen Fachkräfte in der Altenpflege zwischen 2015 und 2019 auf ein Plus von 18,6 Prozent. Und dabei bleibt es nicht. Die Pflegekommission hat erstmals einen Mindestlohn für Fachkräfte beschlossen, der ab Juli für rund 2.600 Euro Bruttomonatsgehalt sorgen soll. Noch immer nicht gerade üppig, aber ein Fortschritt.

Der Plan zu den Eigenanteilen ginge gewaltig ins Geld.

Nur lässt das für die Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen oder das Sozialamt die Eigenanteile für einen Heimplatz weiter steigen – für Pflege, Unterkunft, Verpflegung, Investitions- und Ausbildungskosten. Im Januar waren das neuen Zahlen zufolge im Schnitt pro Platz und Monat 2.068 Euro. Zwei Jahre zuvor hatten 1.830 Euro gereicht. Dem wollte Spahn zunächst damit begegnen, die reinen Eigenanteile für die Pflege, bisher monatlich 831 Euro, auf 700 Euro für drei Jahre zu deckeln und danach auf null Euro zu reduzieren. Das gilt nicht mehr. Jetzt soll der Pflege-Eigenanteil nach mehr als einem Jahr im Heim um 25 Prozent abgesenkt werden, nach zwei Jahren um die Hälfte und nach drei Jahren um 75 Prozent.

Das aber ginge gewaltig ins Geld. Spahn geht von fünf Milliarden Euro Bundeszuschuss aus – pro Jahr. Bei einer Versicherung, die in Corona-Zeiten überhaupt erst ihre allererste Steuerzuwendung erhalten hat. Das gefällt den Haushältern seiner Fraktion gar nicht. Während Sozialdemokraten finden, dass reiche Senioren von solchen Steuergeschenken ausgenommen werden sollten. Selbst der Arbeitgeberverband Pflege hält einen Steuerzuschuss nur kurzfristig für angebracht, letztlich müsse die Pflegefinanzierung „komplett umgestrickt“ werden. Da muss man wohl froh sein, wenn es eine Reform, die den Namen verdient, wenigstens bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode gibt.

Hajo Zenker ist Wirtschaftskorrespondent der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft.
Bildnachweis: privat