Sozialmedizin

Prävention als Männersache

Klare Ziele, authentische Kommunikation, geschlechtersensible Konzeption: Wie sich das Betriebliche Gesundheitsmanagement auf die Bedürfnisse von Männern einstellen kann, war Thema eines digitalen Workshops. Von Änne Töpfer

Ob Rückenschule,

Yoga oder Achtsamkeitstraining: Typische Präventionskurse werden eher als Angebote für Frauen wahrgenommen. So war es aus dem Teilnehmerkreis des digitalen Workshops „Black Box Mann?! Männergerechtes Betriebliches Gesundheitsmanagement auf dem Prüfstand“ zu hören. Doch woran liegt das und wie lassen sich Männer dazu bringen, etwas für ihre Gesundheit zu tun?

Antworten gaben auf Einladung der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Dr. Oliver Schumann, Sportökonom an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken, und die Soziologin Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH.

Verpackung muss stimmen.

Großen Einfluss auf die Motivation von Männern, an einem Kurs im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) teilzunehmen, scheint der Titel zu haben. „Gesundheitskommunikation muss gendersensibel sein“, unterstrich Schumann. „Schaut auf die Sprache im BGM“, lautete sein Rat.

Damit das Betriebliche Gesundheitsmanagement gelingt, sind die Zielgruppen an der Planung und der Umsetzung zu beteiligen.

Sylvia Gaiswinkler bestätigte das. In ihrer Auswertung von Praxisbeispielen habe sich gezeigt, dass etwa ein „Bewegungsangebot für Männer“ keine einzige Anmeldung nach sich zog, während „Freeletics am Donaukanal“ lebhafte Nachfrage unter Männern erzeugte – „bei ungefähr gleichem Inhalt des Kurses“, so Gaiswinkler.

Kognitive Leichtigkeit erreichen.

Die Teilnehmer des Workshops benannten weitere Faktoren, die das BGM für Männer erschweren: die Sichtweise der Führungskraft, Angebote außerhalb der Arbeitszeit, ausschließlich weibliche Kursleitungen, Angst sich zu outen oder Einstellungen wie etwa „zum Job (Handwerk) gehören Schmerzen“. Doch als wichtigsten Grund für mangelnden Erfolg von BGM für Männer machten Teilnehmer und Referenten eine fehlende Beteiligung der Zielgruppen an der Konzeption und Umsetzung der Angebote aus. „Bearbeiten Sie das Thema Gesundheit situativ und individuell – abhängig von Geschlecht, Alter und Motivstruktur“, empfahl Oliver Schumann.

Neben der Kommunikation stellte er als wesentliche Voraussetzungen für ein gelingendes BGM eine attraktive Vision, Authentizität und den Willen der Verantwortlichen heraus. „Sie müssen sich klar darüber sein, was Ihre Ziele sind“, so Schumann. Genauso wichtig sei es, ehrlich zu sagen, dass es beim BGM um den Erhalt von Leistung und Produktivität gehe. Zudem müssten die Akteure bereit sein, auch gegen Widerstand für die Männergesundheit zu arbeiten. Bezüglich der Kommunikation hob Schumann positive Formulierungen als entscheidend hervor. Gerade für Männer sei es wichtig, eine „kognitive Leichtigkeit“ zu erreichen. Männer müssten realisieren: Ich kann das, es fühlt sich vertraut, gut und mühelos an. „Männer kaufen Vorteile, Nutzen und Problemlösungen.“

Checklisten-Fragen entwickelt.

Sylvia Gaiswinkler hat auf Basis einschlägiger Literatur und Beispielen aus der Praxis 17 Kriterien und 62 Checklisten-Fragen für ein gendersensibles BGM entwickelt. Beispiele seien in Deutschland und Österreich bisher allerdings rar.

Auf der Plattform „Mann, was geht?!“  können sich Verantwortliche des Betrieblichen Gesundheitsmanagements und Health Professionals über eine männergerechte Gestaltung gesunder Arbeit informieren und austauschen.

„Gesundheit hat ein Geschlecht, das ist auch in Betrieben so“, sagte Gaiswinkler. Vor diesem Hintergrund appellierte sie an die Verantwortlichen, BGM zielgruppenspezifisch statt nach dem Gießkannenprinzip zu gestalten. Ziel müsse es sein, die Akteure in BGM-Prozessen hinsichtlich Gender und Geschlecht zu sensibilisieren. „Das war bei den Projekten, die wir uns angeschaut haben, selten der Fall.“

Belegschaft als Experten fragen.

Das Gendern müsse sich durch alle Phasen der BGM ziehen. Das erfordere einen offenen Diskursraum. In der Vorbereitungsphase komme es beispielsweise darauf an, die Geschlechterverteilung im Betrieb sichtbar zu machen und Geschlechterunterschiede in der Gesundheit zu recherchieren. Bei der Maßnahmenplanung und -umsetzung sollten unterschiedliche Lebensbereiche und Mehrfachbelastungen berücksichtigt werden. Gaiswinkler riet bezüglich der Kommunikation dazu, „die Belegschaft als Experten zu fragen: Wie würden Sie es formulieren?“.

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: iStock.com/BartekSzewczyk