Interview

„Influencer bieten Orientierung“

In Sozialen Medien geht es häufig um den Lebensstil, das Aussehen und die Fitness. Das beeinflusst das Gesundheitsverhalten von Millionen Nutzern, sagt Dr. Laura-Maria Altendorfer. Die Expertin für digitale Kommunikation sieht darin Chancen und Risiken.

Frau Dr. Altendorfer, über welche Kanäle lassen sich heute Gesundheitsbotschaften am besten platzieren?

Laura-Maria Altendorfer: Speziell bei Gesundheitsbotschaften kommt es darauf an, Menschen individuell anzusprechen. Die Sozialen Medien haben den Vorteil, dass die Nutzer eine Vorauswahl getroffen haben, indem sie einen bestimmten Youtube-Kanal abonnieren oder einem Influencer folgen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dort individuell passende Gesundheitsbotschaften erhalten, ist größer als bei anderen Medien.

Porträt von Laura Altendorfer, Referentin für Digitalisierung bei der e.kundenservice Netz (E.ON) und freiberufliche Journalistin, Unternehmensberaterin und Dozentin

Zur Person

Dr. Laura Maria Altendorfer ist Referentin für Digitalisierung bei der e.kundenservice Netz (E.ON) und freiberufliche Journalistin, Unternehmensberaterin und Dozentin.

Was genau ist ein Influencer?

Altendorfer: Influencer sind in Sozialen Medien aktiv, oft auf mehreren Plattformen. Sie genießen in der Regel ein hohes Ansehen und haben Vorbildfunktion. Ihre Follower nehmen sie als authentisch und oft als Experten für einen bestimmten Bereich wahr. Die Beiträge von Influencern drehen sich meist um deren eigene Welt. Unter ihnen sind auch Experten mit akademischem Hintergrund, wie beispielsweise Ärzte und Physiotherapeuten. Einige Influencer geben aber lediglich autodidaktisch erworbenes Halbwissen weiter.

Wie wirken Influencer auf das Gesundheitsverhalten der Menschen?

Altendorfer: Sie bieten Motivation, Inspiration und Identifikation in vier Themen-Bereichen: Wohlbefinden und Lifestyle, also Anregungen zu einem bewussten Leben. Im Bereich Sport und Fitness geht es eher um Motivation, wenn Follower die Influencer für ihr Aussehen oder ihre innere Einstellung bewundern. Im Bereich Ernährung spielt die Inspiration eine Rolle, also etwa die Anregung, selbst zu kochen und frische Zutaten zu verwenden. Zur Gesundheit im weitesten Sinne ist in den Sozialen Medien der Bereich Schönheit und Körperpflege sehr präsent. In allen Bereichen wirken Influencer direkt oder indirekt auf das Gesundheitsverhalten.

Der Expertenstatus von Influencern beruht nicht unbedingt auf einer fundierten Ausbildung.

Welche Risiken gehen damit einher?

Altendorfer: Zum einen beruht der Expertenstatus nicht unbedingt auf einer fundierten Ausbildung. Auch der Fokus auf visuelle Elemente ist eine Gefahr: Dadurch werden Botschaften oft nicht richtig gelesen oder falsch verstanden. Ein weiteres Risiko ist das Nacheifern im Sport. Viele unterschätzen, dass der Status, den Fitness-Influencer haben, aus deren Vollzeit-Job resultiert. Ein Rezipient, dessen Alltag völlig anders aussieht, kann diese Fitness unter Umständen nie erreichen. Dennoch denkt er: Wenn der das schafft, kann ich das auch. Zu den Gefahren gehören auch Schönheitsideale, die zu Essstörungen führen können.
 
Welche Vorteile haben Influencer gegenüber anderen Absendern wie beispielsweise Krankenkassen?

Altendorfer: Das ist vor allem der Beste-Freund-Status. Follower können mit Influencern in Dialog treten. Diese Nahbarkeit ist attraktiv. Influencer bieten zudem ähnlich wie Testimonials Orientierung. Menschen wollen sich mit anderen vergleichen. Das kann eine Institution wie eine Krankenkasse per se nicht leisten.

Wie könnten Institutionen die Kompetenz von Influencern nutzen?

Altendorfer: Ein Influencer kann selbst am besten beurteilen, ob er sich für die Kampagne einer Institution eignet. Wenn er als Testimonial im Namen einer Krankenkasse auftritt, müssen die Inhalte auf ihre Qualität hin geprüft sein. Der Influencer vermittelt die geprüften Inhalte so, dass es für seine Follower passt.

Änne Töpfer führte das Interview. Sie ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: privat