Porträt
Kommentar

Offenbarungseid

Ein neuer Krisenstab soll bei der Corona-Bewältigung helfen. Auch weil von der Politik Expertenrufe lange ignoriert wurden, habe das Gremium viel Arbeit vor sich, meint Gerhard Schröder.

Die Botschaft ist klar:

Jetzt kommt Zug ins Corona-Krisenmanagement. Ein neuer Krisenstab soll helfen, angeführt von Zwei-Sterne-General Carsten Breuer. Dazu kommt ein hochrangig besetzter Expertenrat, der die Pandemiebekämpfung „stärker auf wissenschaftliche Expertise stützen“ soll, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte. Das klingt, zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie, fast wie ein Offenbarungseid. Auch bislang gab es keinen Mangel an Expertengremien und Krisenstäben. Nur blieb der Einfluss auf die Politik überschaubar.

Die Warnungen führender Virologen, Intensivmediziner und Modellierer vor den Gefahren einer vierten Welle ignorierte die Politik in den vergangenen Monaten souverän. So taumelte das Land sehenden Auges in die bislang schlimmste Phase der Krise, orientierungslos und ohne Konzept. Vor allem in entscheidenden Fragen versagte das Krisenmanagement, nämlich wie sich die erlahmende Impfkampagne wieder in Schwung bringen lässt und wie diejenigen erreicht werden können, die sich verweigern. Noch schlimmer: Als die Booster-Impfungen im September möglich wurden, schalteten Bund und Länder einen Gang zurück und schlossen die Impfzentren. Irgendwie würden das die niedergelassenen Ärzte schon schaffen, so die Argumentation. Eine dramatische Fehleinschätzung, die die Lage nun besonders prekär macht.

Das Land taumelte in die schlimmste Phase der Krise.

Der neue Krisenstab ist direkt Bundeskanzler Olaf Scholz unterstellt und die Bewältigung der Pandemie damit Chefsache. Mit General Breuer hat ein erfahrener Krisenmanager die Leitung inne. Der 56-Jährige hat jahrelang die Katastrophenhilfe der Bundeswehr geleitet, zuletzt den Einsatz von Soldaten in Impfzentren und Gesundheitsämtern koordiniert. Er muss eine nachhaltige Impfstrategie entwickeln und umsetzen. Wie das gehen könnte, haben die Italiener gezeigt. Dort gab Regierungschef Mario Draghi früh einen klaren Kurs vor – und übertrug die Umsetzung einem erfahrenen Militär. Das Ergebnis: Die Impfquote in Italien liegt bei über 80 Prozent. Davon kann Deutschland bislang nur träumen.
 
Die Ausgangslage ist schwierig. Breuer startet mitten in der Krise. Sein Stab ist klein, die Kompetenzen unklar. Immerhin war der Auftakt nicht schlecht: 30 Millionen Menschen wurden im Dezember geimpft, so wie angepeilt. Ein erster Schritt. Mehr aber auch nicht.

Gerhard Schröder ist Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur.
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