Porträt
Kommentar

Auf den Prüfstand

Gemeinsame Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern waren zuletzt oft schnell wieder Makulatur. Die Beziehungen müssen nach der Pandemie daher reformiert werden, meint Hajo Zenker.

Eine ganze Woche Arbeit,

sagt Minister Karl Lauterbach, koste das gesamte Gesundheitsministerium die Vorbereitung einer Ministerpräsidentenkonferenz. Soll wohl heißen: Kein Wunder, dass ich mich um die vielen Baustellen im Gesundheitswesen, die nichts mit der Pandemie zu tun haben, noch nicht wirklich kümmern konnte. Soll aber auch heißen: Endlich werden die Gespräche von Bund und Ländern gründlich vorbereitet. Tatsächlich waren die teils quälend langen Verhandlungen in GroKo-Zeiten alles andere als ein Aushängeschild des Föderalismus. Zumal sich diverse Bundesländer immer mal wieder von den dort gefassten Beschlüssen sehr rasch verabschiedeten.

Wir müssen für neue Pandemien bessere Vorsorge treffen.

Dabei macht es für die praktische Pandemiebekämpfung natürlich einen Unterschied, ob etwa im Norden die Inzidenzen niedriger und die Impfquoten höher als im Süden sind. So soll Föderalismus ja aussehen. Wenn man sich aber auf bundeseinheitliche Regeln, etwa Schwellenwerte, zunächst einigt, sie dann aber schnell unter Berufung auf die Lage im eigenen Bundesland ignoriert, führt das Bund-Länder-Absprachen ad absurdum. Wenn niemand mehr durchschaut, wo etwas warum gilt, macht das Ganze keinen Sinn. Insofern waren die ersten Ministerpräsidentenkonferenzen in Ampel-Zeiten ein Fortschritt. Allerdings musste der ewige Mahner und Warner Lauterbach dabei lernen, Kröten zu schlucken. Denn dem Minister, der so gern von wissenschaftsbasierter Politik spricht, gehen die Lockerungsschritte eigentlich zu schnell. Deshalb hat er die Länder mehrfach ermahnt, sich diesmal wirklich Wort für Wort an die Beschlüsse zu halten und nicht noch schneller voranzugehen.
 
Derweil gibt es neue Konfliktlinien. So fordern alle Ministerpräsidenten, auch die der Union, eine allgemeine Impfpflicht. Die Unionsfraktion dagegen will lieber per Vorratsbeschluss im Herbst darüber nachdenken, ob man die Pflicht braucht. Und die Ampel-Abgeordneten sind sich in der Frage sowieso uneins. Ob die Impfpflicht also in der Pandemie noch eine Rolle spielt, ist mehr als zweifelhaft.

Ganz ohne Zweifel aber wird man sich, wenn aus der Pandemie eine Endemie geworden sein sollte, die Bund-Länder-Beziehungen sehr gründlich anschauen und verändern müssen. Denn neue Pandemien, da ist sich nicht nur Lauterbach ganz sicher, werden bald kommen. Darauf müssen wir besser vorbereitet sein.

Hajo Zenker ist Wirtschaftskorrespondent der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft.
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