Neues aus der Uni

„Geriater sind Netzwerker zwischen Disziplinen und Professionen“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. Christine von Arnim, Direktorin der Abteilung für Geriatrie an der Universitätsmedizin Göttingen.

Frau Professorin von Arnim, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Christine von Arnim: Das ist aktuell die Frage, wie wir langfristig den Gesundheitszustand von älteren herzkranken Patientinnen und Patienten verbessern können. Studien zeigen, dass eine gezielte Vorbereitung auf einen Eingriff am Herzen, eine sogenannte Prähabilitation, das Ergebnis erheblich verbessern kann. Aus den Studien haben wir das zweiwöchige Therapiekonzept „PRECOVERY“ zur praktischen Patientenversorgung entwickelt. Es umfasst psychische, physio- und ergotherapeutische Aspekte sowie eine Ernährungsberatung und auch Gespräche mit Angehörigen. Für die wissenschaftliche Evaluation des Konzepts erhielten wir gerade die Förderzusage durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in Höhe von 5,3 Millionen Euro.

Porträt von Christine von Arnim, Leiterin der AG Neurologie der deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG)

Zur Person

Prof. Dr. Christine von Arnim studierte in Freiburg Humanmedizin und promovierte dort im Bereich der Neurowissenschaften. Nach Stationen an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, am Universitätsklinikum Ulm und an der Harvard Medical School wurde sie 2019 auf die Professur für Geriatrie an der Universitätsmedizin Göttingen berufen. Sie ist Leiterin der AG Neurologie der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG).

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

von Arnim: In Göttingen liegt ein Fokus auf dem organübergreifenden Zusammenwirken von Herz und Hirn. Gemeinsam mit Grundlagenwissenschaftlern und Klinikern entwickeln wir gerade ein Graduiertenkolleg. So wird schon in der akademischen Ausbildung ein Grundstein für das Netzwerken gelegt. Wir Geriater sind traditionell Netzwerker zwischen Disziplinen und Professionen. In unserem Klinikteam arbeiten über acht Berufsgruppen zusammen für die Genesung der hochaltrigen Patienten. Erfolgsgrundlage ist die enge Kommunikation im Team, mit täglichem kurzem Austausch (Huddle) und einer ausführlichen Teamsitzung einmal in der Woche. Diese interprofessionelle Zusammenarbeit wird in der Medizin immer wichtiger und strahlt in die Lehre der Humanmedizin und der Pflege- und Therapiewissenschaften aus.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

von Arnim: Aus meiner Sicht ist es essentiell, dass politische Entscheidungen auf einer möglichst guten Wissensbasis getroffen werden. In der Pandemie konnten wir in vielen Bereichen lernen, wie Wissen entsteht, dass es ein ständiger Prozess des Lernens und Weiterentwickelns ist. Es wurde deutlich, dass wissenschaftliche Erkenntnisse kurzfristig und nutzbringend in politische Entscheidungen einfließen müssen.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
Bildnachweis: Universitätsmedizin Göttingen, Foto Startseite: iStock.com/uschools