Sind die Zähne gesund? Eine gute Prophylaxe hilft bei der Prävention von Karies – auch in Kitas und Schulen.
Prävention

Karies nagt an den ersten Zähnen

Immer mehr Kleinkinder haben Karies. Ein Grund ist der pandemiebedingte Ausfall der Zahnvorsorge in Kitas und Schulen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Verbände und Organisationen fürchten um den Erfolg der Gruppenprophylaxe. Von Thomas Rottschäfer

Es gibt eine gute und eine schlechte

Nachricht in Sachen Zahngesundheit. Zuerst die gute: Auch dank der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe sind in Deutschland inzwischen 80 Prozent der Zwölfjährigen kariesfrei – ein Spitzenwert im europäischen Vergleich. Die schlechte Botschaft: Bei den ganz Kleinen nagt immer häufiger die Karies an den ersten Zähnchen. Zehn bis 15 Prozent der unter Dreijährigen seien hierzulande von frühkindlicher Karies betroffen, warnt der „Aktionskreis zum Tag der Zahngesundheit“, dem 30 Organisationen aus dem Gesundheitswesen angehören, darunter die Bundeszahnärztekammer, die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) und der Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG).

Zu viel Zucker im Essen und Trinken.

Dass sich die Zahnfäule ausbreitet, hat nach Angaben des Aktionskreises mit ungesunder Ernährung zu tun, vor allem mit zu viel Zucker im Essen und Trinken. Hinzu kommt mangelnde Mundhygiene. Und Corona hat das schärfste Schwert im Kampf gegen Karies stumpf werden lassen. „Die Pandemie hat sich sehr negativ auf die Durchführung der Gruppenprophylaxe ausgewirkt“, sagt Annett Neukampf, Referentin für Zahnärztliche Versorgung beim AOK-Bundesverband. So seien in vielen Gemeinschaftseinrichtungen die Aktivitäten vollständig eingestellt worden. In vielen Kitas falle das gemeinsame Zähneputzen immer noch aus. „Zahlreiche Fallberichte weisen in der Folge auf eine deutliche Vernachlässigung der Mundhygiene und ein gesundheitsgefährdendes Ernährungsverhalten bei Kindern hin“, betont der Aktionskreis.

In vielen Kitas fällt das gemeinsame Zähneputzen immer noch aus.

Die 1989 eingeführte Gruppenprophylaxe ist nach Darstellung des BZÖG „eines der größten systematischen Präventionsangebote für die Erhaltung der Zahngesundheit bei Kindern und Jugendlichen“. „Aktuell nehmen in Deutschland rund 4,6 Millionen Kinder und Jugendliche an der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe teil“, erläutert Neukampf. Als Vertreterin der gesetzlichen Krankenkassen engagiert sie sich in der DAJ für bessere Kariesprävention. „Bei der Prophylaxe geht es um die aktive Vermittlung einer kindgerechten und effektiven Mundhygiene, Ernährungsbildung, Fluoridierungsmaßnahmen zur Zahnschmelzhärtung und zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen in den Einrichtungen“, so die AOK-Expertin.

Ungleiche Startchancen abmildern.

Die Angebote zur Zahngesundheit bei Kindern und Jugendlichen werden vor allem von 380 regionalen Arbeitskreisen zur Förderung der Zahngesundheit umgesetzt. Sie arbeiten dabei eng mit den Zahnärztlichen Diensten der Gesundheitsämter zusammen und sind vernetzt mit den kommunalen Bildungs-, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen.
 
So werden insbesondere auch Familien in schwieriger sozialer Lage erreicht. Als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnet deshalb auch Michael Kleinebrinker vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) die Gruppenprophylaxe. „Sie erreicht in Kita und Schule alle Kinder. Das ist ein großer Vorteil, wenn etwa im Elternhaus die Mundgesundheit nicht ausreichend unterstützt wird. Ungleiche Startchancen werden so abgemildert.“

Rückkehr zur Vor-Corona-Normalität.

Doch nicht nur die Pandemie gefährdet die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte. Schwerer wiegt nach Darstellung des GKV-Spitzenverbandes der „chronische Fachkräftemangel“.

Im Kita-Bericht, den der Paritätische Gesamtverband im Juni veröffentlicht hat, heißt es: „Gerade dort, wo viele Kinder in Armut aufwachsen oder auf besondere Unterstützung angewiesen sind, ist die Ausstattung der Kitas schlecht.“ Das wirke sich unmittelbar auf die Gruppenprophylaxe aus, unterstreicht der GKV-Spitzenverband. „Viele Einrichtungen betrachten das tägliche Zähneputzen in der Gruppe gemeinsam mit der Erzieherin oder dem Erzieher eher kritisch, weil es unnötig viel Personal bindet.“ Zudem fehle vielerorts das Geld für ausgewogenes Essen in den Kindertagesstätten.

Den „Tag der Zahngesundheit“ am 25. September haben die im Aktionskreis zusammengeschlossenen Verbände und Organisationen deshalb in diesem Jahr der Gruppenprophylaxe gewidmet. Ihre Forderung: Rückkehr zur Vor-Corona-Normalität bei den Angeboten zur Zahnvorsorge für Kinder und Jugendliche und mehr Fachpersonal in den Kitas.

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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