Porträt
Kommentar

Gerüstet für den Winter

Corona wird uns auch den dritten Herbst und Winter in Atem halten. Doch Deutschland ist dank der jüngsten politischen Beschlüsse ausreichend vorbereitet, meint Norbert Wallet.

Im Juli des ersten Corona-Sommers

starben 136 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Infektion. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl im entsprechenden Zeitraum auf 274. In diesem Juli, als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seinen beharrlichen Warnungen all denen gehörig auf die Nerven ging, die die Pandemie in Hinblick auf ihre persönlichen Vorsichtsmaßnahmen bereits für beendet erklärten, starben ausweislich der Zahlen des Robert-Koch-Instituts 2.839 Menschen. So viel ist klar: Die Pandemie ist keineswegs vorbei. Tatsächlich sind die aktuellen Virusvarianten ansteckender als frühere Formen. Und es gibt keinen Grund, mit dem Ausbleiben einer Herbst-/Winter-Welle zu rechnen.
 
Das weist der Politik einen Handlungsauftrag zu. Sie muss Vorsorge treffen, dass im Falle des Falles die Intensivstationen nicht überlaufen, die kritische Infrastruktur intakt bleibt und die Zahl der Menschen, die an oder mit Corona sterben, nicht immer weiter steigt. Genau das ist die Messlatte, die an das reformierte Infektionsschutzgesetz anzulegen ist, das vom Bundestag direkt in der ersten Woche nach den Parlamentsferien verabschiedet wurde. Das Konzept zeigt, dass sich der Staat durchaus zurücknimmt. Der Werkzeugkasten wird kleiner. Flächendeckende Schulschließungen und Lockdowns kommen darin nicht mehr vor. Zentrale Instrumente sind Maskenpflicht und Testung. Zudem haben die Länder erheblichen Spielraum, auf regionale Corona-Hotspots zu reagieren.

Die Gefahr liegt in einem Ermüdungs­effekt der Bevölkerung.

In der öffentlichen Debatte steht das Infektionsschutzgesetz im Vordergrund der Corona-Politik. Das liegt vor allem am Maskenthema, das für manche Empörungswillige zum Symbol geworden ist, an dem sich ihr Widerstand entzündet. Allerdings steht das Gesetz eher am Ende einer Strategie zur Eindämmung der Pandemie. Zentrales Instrument bleibt die Impfung. Es mag sein, dass Minister Lauterbach bei seinen Bestellungen der gegen die neuen Virusvarianten angepassten Impfstoffe die Impfbereitschaft der Bevölkerung überschätzt. Dass er hier aber nach dem Motto „Nicht kleckern, sondern klotzen“ verfährt, ist verständlich. Es ist besser, den Bedarf zu hoch anzusetzen, als die Nachfrage am Ende nicht befriedigen zu können.

Deutschland geht gerüstet in den Corona-Winter. Die größte Gefahr liegt nicht in einer ungenügenden Gesetzgebung. Sie liegt in einem – psychologisch verständlichen – Ermüdungseffekt in der Bevölkerung.

Norbert Wallet ist Parlamentsredakteur für Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten.
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