Interview

„Lepra war nie verschwunden“

Der Rotary Club of Delhi South setzt sich dafür ein, die chronische Infektionskrankheit Lepra in Indien unter Kontrolle zu bringen. Pradeep Bahri, CEO der Leprosy Control Foundation, erklärt, was dafür nötig ist.

Herr Bahri, wie verbreitet ist Lepra heute noch?

Pradeep Bahri: Viele glauben, Lepra gehöre der Vergangenheit an. Die Wahrheit ist, dass Lepra nie verschwunden war. Im vergangenen Jahr erkrankten mehr als 200.000 Menschen an Lepra, das sind mehr als 600 Menschen pro Tag, davon über 50 Kinder. Mehr als 50 Prozent dieser neuen Fälle stammen aus Indien. Aus Angst und weil man nicht weiß, dass die Krankheit heilbar ist, leben weltweit immer noch über drei Millionen Menschen ohne Diagnose, und jeden Tag fügt die Krankheit ihrem Leben, ihrer Gesundheit, ihrem Lebensunterhalt und ihrer Zukunft weiteren Schaden zu.

Porträt von Bahri Pradeep, Mitglied im Rotary Club of Delhi South und CEO der Leprosy Control Foundation

Zur Person

Pradeep Bahri ist Mitglied im Rotary Club of Delhi South und CEO der Leprosy Control Foundation.

Seit 2019 unterstützt der Rotary Club of Delhi South das Mother Theresa Leprosy Home. Welches Konzept steht dahinter?

Bahri: In der ersten Phase unseres auf zwölf bis 14 Jahre angelegten Projekts geht es um die Umsetzung in der Hauptstadtregion von Delhi. Wir wollen zunächst die 40 Lepra-Kolonien in Delhi NCR erreichen. Das Mother Teresa Leprosy Home ist eine dieser Kolonien. Während dieser ersten Phase geht es um die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, des Gesundheitspersonals und der Entscheidungsträger für das Thema Lepra, die aktive Fallfindung und ein System für die Erfassung von Daten durch verbesserte Schulung des Gesundheitspersonals, Nutzung dieser Daten für die Überweisung zur Behandlung, Aufstockung der Ressourcen für die Behandlung, Medikamente und Palliativpflege sowie vertrauensbildende Unterstützung für Leprapatienten. In der zweiten Phase soll das Projekt in anderen Lepra-Endemiegebieten Indiens umgesetzt werden, danach in ganz Indien.

Wie hat sich Covid-19 auf die Lepra-Situation in Indien ausgewirkt?

Bahri: Die Covid-19-Pandemie stellte Lepra-Patienten vor eine ganze Reihe von Herausforderungen. Die Versorgung mit Medikamenten wurde unterbrochen, viele verloren ihren Lebensunterhalt, sie hatten keinen Zugang zu Nahrungsmitteln oder medizinischer Versorgung. Dadurch verschlechterten sich die Lebensbedingungen für diesen am meisten vernachlässigten Teil unserer Gesellschaft noch weiter als sie es bereits vor der Pandemie waren. Infolgedessen erhielten die Patienten keine rechtzeitige Behandlung. Die Pandemie brachte die Arbeit zur Bekämpfung der Krankheit zum Stillstand und machte sie in gewissem Maße wieder zunichte.

Martina Merten ist Global Health-Spezialistin und publiziert regelmäßig über Themen globaler Gesundheit.
Bildnachweis: Rotary