Interview

„Ermittelnde brauchen Verhandlungsstärke“

Fehlverhalten im Gesundheitswesen ist teuer für die Krankenkassen. Rechtsanwalt Dr. Jürgen Mosler erklärt, worauf es bei der Ermittlung ankommt, welche kriminellen Muster sich zeigen und wie sich Täterinnen und Täter verhalten, wenn ihr Betrug aufgedeckt wurde.

Welche Kompetenzen benötigen Ermittelnde der Krankenkassen im Kampf gegen Korruption?

Jürgen Mosler: Die Kolleginnen und Kollegen müssen sich im Leistungsrecht, im Verwaltungs- und Verfahrensrecht, im Straf- und im Strafprozessrecht auskennen. Sie brauchen außerdem Verhandlungsstärke. Wir verhandeln mit den Leistungserbringern, denen Fehlverhalten vorgeworfen wird, mit den Strafverteidigern, mit den Staatsanwaltschaften und den Gerichten.

Porträt von Jürgen Mosler, Rechtsanwalt

Zur Person

Dr. Jürgen Mosler, Rechtsanwalt, leitet den Fachbereich Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der AOK NordWest.

Was beutet Verhandeln in diesem Zusammenhang?

Mosler: Manchmal sind die Sachverhalte nicht ganz klar. Wenn ein Vertragspartner mit dem Gesetz in Konflikt kommt, kann es sein, dass er das Recht nur falsch verstanden hat. Dann liegt zwar ein Fehlverhalten vor, aber es ist strafrechtlich nicht relevant. Trotzdem müssen wir uns mit dem Vertragspartner austauschen, wenn etwas schiefgelaufen ist. Er muss den Schaden ausgleichen, auch wenn er kein Delikt begangen hat. Darüber hinaus gibt es Täter mit krimineller Energie, denen betrügerisches Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Für die Verhandlungen brauchen die Ermittelnden eine gewisse Hartnäckigkeit. Es kann aber auch Verhandlungstaktik sein, an den richtigen Stellen nachzugeben, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, ohne den gesamten Rechtsstreit zu gefährden.

Welche Muster krimineller Energie erkennen Sie im Gesundheitsbereich?

Mosler: Vorausschicken will ich: Der Großteil der Leistungserbringer arbeitet regelkonform. Zum betrügerischen Fehlverhalten gehört beispielsweise die Abrechnung von Luftleistungen, also nicht erbrachten Leistungen. Dann haben wir ein großes Augenmerk auf Leistungen, die von nicht dafür qualifizierten Personen erbracht worden sind. Die Betrüger ändern im Laufe der Zeit ihre Strategien und wir müssen uns anpassen. Die Ideen, um Gelder rechtswidrig zu generieren, sind sehr kreativ.

Wie reagieren die Täterinnen und Täter, wenn ein Fehlverhalten ans Licht gekommen ist?

Mosler: Wenn jemand den Schaden wiedergutmacht, ist das als strafmindernd zu berücksichtigen. Das machen wir unserem Gegenüber im Rahmen der Verhandlungen klar. Den kleinen Betrüger kann ich damit sensibilisieren. Ein Großbetrüger hingegen wird sich nicht von seinen Taten abhalten lassen.

Änne Töpfer führte das Interview. Sie ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: AOK NordWest