Paul-Ehrlich-Institut

Sicherheitscheck für Impfstoffe & Co.

Mit der Corona-Pandemie rückte das Paul-Ehrlich-Institut ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Es ist in Deutschland zuständig und in Europa beteiligt an der Prüfung und Bewertung von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln. Darüber hinaus setzt sich das Institut mit eigenen Forschungsprojekten für die Sicherheit und Wirksamkeit vorhandener Therapien und für Neuentwicklungen ein. Von Thomas Rottschäfer

Als es ab Herbst 2020 um die Prüfung und Zulassung der ersten Corona-Impfstoffe geht, richten sich die Blicke der Öffentlichkeit auf die Europäische Arzneimittelagentur EMA. An der Bewertung der fortlaufend in Amster­dam eingereichten Zulassungsanträge und Forschungsunter­lagen von BionTech/Pfizer, Novavax, AstraZeneca & Co. sind jedoch federführend auch Arzneimittelexpertinnen und -experten aus Langen bei Frankfurt am Main beteiligt. Dort hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) seinen Sitz. Das Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) prüft und bewertet Impfstoffe und biomedizinische Arznei­mittel. Im Verbund der nationalen Zulassungsbehörden in den Arbeitsausschüssen der EMA verfügt das PEI über besondere Kom­petenzen in diesen Bereichen.

Für klinische Prüfungen zuständig.

Das PEI ist zudem unter anderem für die Genehmigung klinischer Prüfungen der ent­sprechenden Arzneimitteltherapien in Deutschland und für die Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen (Pharma­kovigilanz) zuständig. Das nach dem deutschen Forscher und Nobelpreisträger für Medizin, Paul Ehrlich, benannte, tradi­tionsreiche Institut teilt sich in der Regulation die nationalen Aufgaben mit dem Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn, das in Abgrenzung von den Biologika für die klassischen pharmazeutischen Wirkstoffe zuständig ist.

Hohes Tempo bei der Zulassung der Covid-19-Impfstoffe.

„Bis vor wenigen Jahren hätte man von der Virusanalyse bis zur Zulassung des Impfstoffs mindestens zehn Jahre veranschlagt“, sagt PEI-Präsident Professor Klaus Cichutek. Neue Impfstofftechno­logien wie mRNA- und Vektorimpfstoffe, Vorerfahrungen mit Impfstoffprojekten gegen verwandte Viren, intensive wissenschaftliche Beratung und die Priorisierung aller Genehmigungs- und Zulassungsverfahren durch die Arzneimittelbehörden hätten in der Pandemie die enorme Beschleunigung in der Impfstoff­entwicklung möglich gemacht. Dass kaum ein Jahr nach Beginn der Sars-CoV-2-Pandemie ein sicherer und wirksamer Impfstoff zur Verfügung stand, nennt der Virologe eine „großartige Leistung, zu der akademische und industrielle Forschung und Entwicklung, die politische und die regulatorische Unterstützung beigetragen haben“. Die Impfstoffentwicklungen seien durch eine bisher beispiellose weltweite Forschungszusammenarbeit, aber auch durch das „Rolling Review“-Verfahren der Zulassungsbehörden forciert worden. „Eine fortlaufende Prüfung nach­einander eingereichter Datenpakete, um die Bewertungszeit, soweit möglich, weiter zu verkürzen“, erläutert Cichutek.

Neunköpfiges Führungsteam.

Der 1956 in Recklinghausen geborene Wissenschaftler steht bereits seit dem Jahr 1988 in den Diensten des PEI. Von Oktober 2001 bis November 2009 war er Vizepräsident des PEI, seit Dezember 2009 steht er an der Spitze des Instituts. Trotz Erreichens der Altersgrenze kam er der Bitte des BMG um Vertragsverlängerung nach, um das Institut in der Pandemie schlagkräftig zu halten. Er führt das PEI zusammen mit einem neunköpfigen Führungsteam.

Porträt von Prof. Dr. Klaus Cichutek  vom PEI

„Nur Impfstoffe stoppen Pandemien“

Das Paul-Ehrlich-Institut hat in der Corona-Pandemie die Entwicklung von Impfstoffen vorangetrieben. Worauf Klaus Cichutek, der Präsident des Instituts, setzt, um auf künftige Gesundheitskrisen vorbereitet zu sein, erläutert er im G+G-Interview.

Der Gruppe gehören neben Vizepräsident Professor Stefan Vieths die Leiterinnen und Leiter der Institutsabteilungen für Virologie, Mikrobiologie, Immunologie, Veterinärmedizin, Allergologie, Hämatologie/Zell- und Gentherapie, Arzneimittel- und Medizinproduktesicherheit sowie Grundsatzfragen und Verwaltung an. Fünf Fachabteilungen werden von Wissenschaftlerinnen geleitet.

Partner der Forschung.

Der Präsident versteht das PEI nicht nur als forschende Arzneimittel- und Bundesoberbehörde, sondern auch als prüfenden, unabhängigen Partner der industriellen und akademischen Pharmaforschung. Die Corona-Krise dürfte dieses Selbstverständnis noch verstärkt haben. Den Forschern und Entwicklern gegenüber dürfe man für ihre Anstrengungen und Risikobereitschaft durchaus dankbar sein, betont der Präsident. Denn die Hersteller der Impfstoffe seien mit der mil­lionenfachen Produktion von Vakzin-Dosen schon vor der Zulassung ins Risiko gegangen. Teil der Erfolgsgeschichte ist allerdings auch, dass die Impfstoffforschung und -entwicklung durch die Bundesregierung, andere Staaten und private Spender mit Milliardenbeträgen gefördert wurden. Allein bei einer von der EU-Kommission im Mai 2020 organisierten ersten welt­weiten Geber-Konferenz kamen 7,4 Milliarden Euro zusammen.

Internationale Kooperation zur Krisenvorsorge.

Als Reaktion auf die Pandemie hat die EU in den vergangenen zwei Jahren die Zusammenarbeit bei der Vorbereitung auf künftige grenzüberschreitende Gesundheitskrisen deutlich erweitert. Ein Pfeiler der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forcierten Gesundheitsunion ist die neue EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reakion bei gesundheitlichen Notlagen (European Health Emergency Preparedness and Response Authority – HERA). Deutscher Baustein im europäischen HERA-Netzwerk ist das im Oktober 2021 unter dem Dach des PEI eingerichtete Zentrum für Pandemie-Impfstoffe und -Therapeutika (ZEPAI). „Das ZEPAI trifft die notwendigen Vorbereitungen dafür, dass Deutschland für zukünftige Pandemien besser gerüstet ist, indem Impfstoffe und antivirale Therapeutika im Pandemiefall schnellstmöglich für die Bevölkerung zur Verfügung stehen und verteilt werden“, sagt Cichutek. Zu den Aufgaben des Zentrums mit einem interdisziplinären Expertenteam gehört derzeit insbesondere das Management von Pandemiebereitschaftsverträgen mit der Pharmaindustrie. Da Impfstoffe keine lange Vorrats­haltung erlauben, sollen die Verträge mit derzeit fünf Impfstoffherstellern Deutschland für den Krisenfall ausreichende Kapazitäten für die Impfstoffproduktion sichern.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist als wissenschaftliche Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zuständig für Impfstoffe zum Schutz vor Infektionskrankheiten und weitere biomedizinische Humanarzneimitteln sowie immunologische Tierarzneimittel. Die Aufsichtstätigkeit umfasst das Prüfen von Nutzen und Risiken dieser Produkte während der klinischen Entwicklung und Zulassung sowie danach die fortlaufende Überwachung der Arzneimittelsicherheit.

Das PEI führt Namen und Geschichte zurück auf das 1896 gegründete Institut für Serumforschung und Serumprüfung in Berlin-Steglitz und dessen ersten Direktor Paul Ehrlich (1854 bis 1915). Der Immunologe ermöglichte durch seine Forschungen die Diagnose vieler Blutkrankheiten, war an der Entwicklung der Chemotherapie und eines Heilserums gegen Diphterie beteiligt. Er erarbeitete zudem Labormethoden zur Standardisierung (Wertbestimmung) von Sera. 1899 zog sein Institut nach Frankfurt/Main um. Die Nationalsozialisten versuchten vergeblich, Verdienste und Erinnerung an den jüdischen Mediziner zu tilgen. 1947 erfolgte die Umbenennung der Einrichtung in „Paul-Ehrlich-Institut, Staatliche Anstalt für Experimentelle Therapie“. 1972 wurde das PEI als Bundesamt für Sera und Impfstoffe zur selbstständigen Bundesoberbehörde. 1990 erfolgte der Umzug nach Langen. Dort sind rund 1.000 Beschäftigte tätig. Ende 2022 hat der Planungs­wettbewerb für ein neues Gebäudeensemble begonnen.

Das PEI ist eng eingebunden in die Fachausschüsse der EU-Arznei­mittelagentur und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Seit 2005 ist das Institut WHO-Kooperationszentrum für die Qualitätssicherung von Blutprodukten und In-vitro-Diagnostika, seit 2013 auch Kooperationszentrum für die Standardisierung und Bewertung von Impfstoffen.

Der BMG-Etat 2023 für das PEI umfasst rund 91 Millionen Euro. Enthalten sind darin Gebühreneinnahmen aus Zulassungs- und Prüfungstätigkeiten. Überdies warb das PEI für seine Forschungsprojekte 2019/2020 rund 12 Millionen Euro an Drittmitteln ein.

Neben den Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verfügbar­keit der Covid-19-Impfstoffe beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des PEI aktuell auch mit den Eigen­schaften unterschiedlicher Vektorimpfstoffe. Zudem geht es in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung im Bereich der Impfstoffe gegen hämorrhagische Erreger, die unter anderem Ebola-, Lassa-, Dengue- oder Gelbfieber auslösen können. „Wir leisten auch sehr viel Grundlagenarbeit in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO“, berichtet Cichutek. Er selbst ist seit einem Jahrzehnt Mitglied des „WHO Expert Advisory Panel on Biological Standardization“ und hat in diesem Sachverständigengremium biologische Standards und WHO-Leitlinien für Arzneimittelentwickler, unter anderem zur mRNA-Impfstoffentwicklung und -herstellung, mitentwickelt.

Neuartige Therapeutika im Blick.

Im Berichtsraum 2019/2020 hat das PEI 209 Zulassungsverfahren abgeschlossen, knapp 1.500 Folgeverfahren wurden bearbeitet. Bei der Genehmigung klinischer Prüfungen und den Zulassungsver­fahren geht es immer häufiger auch um Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products – ATMP). Diese Gruppe umfasst die Arzneimittel-Produktklassen der Gentherapeutika, somatischen Zelltherapeutika und biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukte. Für die ATMP erlaubt die EMA-Geschäftsstelle eine beschleunigte Zulassung.
 
ATMP ermöglichen die Behandlung von seltenen Erkrankungen, aber auch von Krebserkrankungen. Viele Betroffene haben kaum noch andere Therapieoptionen und hoffen auf die schnelle Entwicklung neuer Arzneimittel. Da gelte es, die Balance zu halten zwischen dem wünschenswerten Entwicklungstempo und den für eine gründliche Nutzen-Risiko-Analyse notwendigen klinischen Studiendaten, betont der PEI-Chef. Daraus ergebe sich, dass bei ATMP nicht immer randomisierte Prüfungen mit Kontrollgruppen möglich seien und manchmal auch nur kleine Patientengruppen in die Prüfungen einbezogen werden könnten. „Da hilft es sehr, wenn wir nach der Zulassung über entsprechende Auflagen weitere Daten aus dem Versorgungsalltag bekommen.“ Der Goldstandard in Sachen Sicherheit und Wirksamkeit bleibe aber die kontrollierte randomisierte klinische Prüfung.

Chargen auf dem Prüfstand.

Das Arzneimittelgesetz schreibt vor, dass das PEI jede Produktionseinheit (Charge) eines Impfstoffs, Blutprodukts oder Allergens vor dem Inverkehrbringen in Deutschland prüft und freigeben muss. Unter Pandemiebedingungen war diese Chargenprüfung besonders anspruchsvoll. „Die Produktprüfung musste weiter reibungslos laufen – auch für die Chargenprüfung von Covid-19-Impfstoffen“, erläutert PEI-Vizepräsident Stefan Vieths, der den internen Krisenstab des Instituts leitete. „Infektionsketten durften daher gar nicht erst entstehen. In den produktprüfenden Bereichen wurde deshalb ein Schichtbetrieb mit voneinander isolierten Teams eingeführt.“
 
2020 führten die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter 13.654 Chargenfreigaben durch, davon rund ein Drittel durch eigene experimentelle Prüfungen und zwei Drittel durch Anerkennen von Prüfungsergebnissen anderer staatlicher Kontrolllabore des Europäischen Wirtschaftsraums mit den EU-Staaten, Norwegen, Liechtenstein und Island. Eingebunden in das vom EU-Direktorat für die Arzneimittelqualität koordinierte Netzwerk der Prüfungsorganisationen ist auch die Schweiz. „Nur wenn die in der Zulassung des Arzneimittels festgelegten Kriterien hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfüllt sind, erteilt das PEI die Chargenfreigabe“, heißt es dazu auf der Institutswebsite.

Transparenz großgeschrieben.

Zu den vom PEI formulierten Leitprinzipien gehört unter anderem „ein Höchstmaß an Redlichkeit, Unparteilichkeit und, soweit geboten, Verschwiegenheit gegenüber Impflingen, Patienten und Anwendern sowie Unternehmern“. Zugleich gelte es, im Interesse einer verbesserten Information der Öffentlichkeit, der Angehörigen der Heilberufe und der pharmazeutischen Industrie“ die Transparenz des eigenen Handelns zu erhöhen.
 
Aus Sicht der Öffentlichkeit betrifft die Transparenz in hohem Maße das Thema Pharmakovigilanz – von der WHO definiert als „alle Aktivitäten, die sich mit der Aufdeckung, Bewertung, dem Verstehen und der Prävention von Nebenwirkungen oder von anderen Arzneimittel-bezogenen Problemen befassen“. In der Pandemie sah sich das Institut im Zusammenhang noch einmal mehr gefordert, schwierige pharmakologische Fragen offen und verständlich zu kommunizieren.

Regelmäßige Sicherheitsberichte.

Mit der Veröffentlichung regelmäßiger Sicherheitsberichte zu den aktuellen Zahlen und zur Art der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfimplikationen nach Covid-19-Impfungen reagierte das PEI auf das gesteigerte Informationsbedürfnis. Zudem entwickelte das Institut die App „SafeVac 2.0“, um aussagekräftige Daten zu möglichen Nebenwirkungen zu erhalten, aber auch Rückmeldungen von Menschen, die die Impfung gut vertragen haben.

Im Unterschied zu anderen Arzneien erlauben Impfstoffe keine lange Vorratshaltung.

Rund 730.000 Geimpfte haben sich laut PEI die Applikation auf ihr Smartphone geladen und im Rahmen der Beobachtungsstudie freiwillig darüber berichtet, wie sie ihre Covid-19-Impfungen vertragen haben. Die Teilnehmenden werden sechs Monate und dann noch einmal ein Jahr nach der Grundimmu­ni­sierung zu ihrem Gesundheitszustand befragt. Sie können auch nach einer Auffrischungsimpfung weitere Angaben ma­chen. Die Daten­erhebung läuft noch bis Ende dieses Jahres.
 
Von den Studienergebnissen erwarte er aber keine Überraschungen, sagt Cichutek. „Denn aus dem Spontanmeldesystem und aus den weltweit vorliegenden Beobachtungsdaten können wir die ­Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe bereits im Detail beurteilen.“

Warnungen über Rote-Hand-Briefe.

Teil des Pharmakovigilanz-Systems sind auch die sogenannten Rote-Hand-Briefe. Darüber informieren Pharmaunternehmen nach Abstimmung mit dem zuständigen europäischen Ausschuss bei der EMA-Geschäftsstelle und dem PEI die medizinischen und pharmazeutischen Fachkreise über mögliche Gesundheitsgefahren. So informierte zuletzt der Pharmakonzern Novartis über zwei Zwischenfälle bei Patienten, die mit einem Medikament zur Einmalbehandlung der seltenen spinalen Muskelatrophie behandelt worden waren. Und die Biotest Pharma GmbH rief „aufgrund einer erhöhten Anzahl von Berichten über Überempfindlichkeitsreaktionen“ eine Charge einer Infusionslösung zurück.
 
Den Rote-Hand-Briefen geht eine Bewertung der Auffälligkeiten durch den EMA-Ausschuss für Arzneimittelrisiken oder eine nationale Bewertung voran. „Der Inhalt der Rote-Hand-Briefe wird geprüft und dient der Information der Ärzteschaft“, unterstreicht Präsident Cichutek. Neue, bisher unbekannte Risiko­signale könnten zu der Entscheidung führen, dass zusätzliche Studien zum Erkenntnisgewinn in der Überwachung der Arzneimittelsicherheit notwendig werden. In diesem Fall werde der Zu­lassungsinhaber um weitere Informationen gebeten. Zudem versuche das PEI, in Kontakt mit den Ärztinnen und Ärzten in allen Behandlungszentren in Deutschland zu treten.

Medizinische Tests unter der Lupe.

Bereits vor dem Jahr 2000 war das PEI auch die zuständige Bundesoberbehörde für die Prüfung und Bewertung der Leistung und Chargenprüfung von In-vitro-Diagnostika (IVD) mit höchstem und hohem Risiko. Bei IVD handelt es sich um Tests, bei denen anhand biologischer Proben der Gesundheits- oder Infektionszustand einer Person bestimmt wird – vom Schwangerschaftstest über Blutzuckertests für Diabetiker, HIV- oder Covid-19-Tests bis zu aufwendigen klinischen Labordiagnosen. Seit dem Inkrafttreten der EU-IVD-Verordnung am 26. Mai 2022 und deren Umsetzung in nationales Recht ist das PEI in Deutschland verantwortlich für die Überwachung von Vorkommnissen mit IVD zum Nachweis von Erregern der Risikoklasse D (lebensbedrohliche Infektionen, durch Blut und Gewebe übertragbare Erreger) und teilweise der Risikoklasse C (zum Beispiel sexuell übertragbare Erreger, Untersuchung auf genetisch bedingte Störungen beim Embryo oder Fötus).

Die Website des Paul-Ehrlich-Instituts bietet neben Fachinformationen auch für Laien verständlich aufbereitete Darstellungen, insbesondere zur Arzneimittelsicherheit. Über die besonderen Herausforderungen der Corona-Krise sowie die zahlreichen eigenen Forschungsprojekte des Instituts informiert der Jahresbericht 2019/2020. Der Jahresbericht 2021/2022 erscheint im Sommer dieses Jahres.

Medizinprodukte und IVD benötigen in der EU eine Konformitätsbescheinigung. Zuständig dafür sind privatwirtschaftliche „Benannte Stellen“, in Deutschland etwa die TÜV-Organisationen oder die Dekra. Die neuen EU-Verordnungen für Medizinprodukte und IVD verschärfen die Anforderungen. So müssen in die Qualitätsprüfung von IVD-Produkten der höchsten Risikoklasse D künftig zusätzlich neue europäische Referenzlabore eingebunden werden. Das PEI hat sich mit Unterstützung des BMG um die Benennung als EU-Referenzlabor mit dem Schwerpunkt des Nachweises von für die Blutsicherheit relevanten Erregern und respiratorische Viren – darunter auch Sars-CoV-2 – beworben.

Eigene Forschungen.

Seine Aufgaben im Bereich der Arznei­mittelregulation ergänzt das PEI durch eigene experimentelle Forschungen. „In allen Abteilungen, die jeweils für bestimmte Arzneimittelarten im PEI zuständig sind, sind Forschung und regulatorische Aktivitäten unmittelbar miteinander verknüpft“, erläutert der Präsident. So erforschten zum Beispiel Allergologen des PEI zuletzt immunologische Prozesse bei der Entstehung einer Darmentzündung durch Nahrungsmittelallergie als Grundlagen für eine mögliche Therapie. Ein weiteres Forschungsteam beschrieb die immunologischen Mechanismen, die nach einer Infektion mit dem Masernvirus das Immunsystem für Jahre schwächen. In anderen jüngsten Forschungsprojekten ging es unter anderem um die Eliminierung von Krebszellen durch die neue gentechnologische CAR-T-Zell-Therapie oder um Impfstoffe gegen neuartige Hepatitis-B-Erreger.

Ist es da nicht für Pharmaunternehmen ein Leichtes, Wissen gewinnbringend abzuschöpfen? „Durch unsere Forschung steuern wir Ideen bei, erklären Wirkmechanismen bestimmter Impfstoff- oder Therapietypen“, sagt Cichutek. „Wir publizieren das in Fachjournalen mit unabhängigen Begutachtungen. Das kann natürlich von der Industrie oder anderen aufgegriffen werden. Erkenntnisse aufgrund unserer Forschung sind für alle Interessierten gleich möglich.“ Der PEI-Chef stellt jedoch klar: „Wir erhalten keine Finanzierung durch die Pharmaindustrie und arbeiten auch nicht mit Pharmaunternehmen oder akademischen Antragstellern zusammen. Das PEI nimmt nicht an Produktentwicklungen teil und führt selbst keine klinischen Prüfungen durch. Sonst hätten wir ja einen Interessenkonflikt und eine Befangenheit bei der Genehmigung entsprechender klinischer Prüfungen.“

Scharnier zwischen Wissenschaft und Politik.

Die Verknüpfung von Aufsichtsaufgaben und Forschung sei ein „Herausstellungsmerkmal des PEI und ein großer Vorteil gegenüber den meisten Arzneimittelbehörden in Europa und weltweit“, betont Cichutek. Als „Scharnier zwischen Wissenschaft und Politik“ unterstütze das PEI damit auch die Vorbereitung und Umsetzung politischer Rahmenbedingungen im Bereich der Biomedizin.

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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