Wandel ist wichtig: Das zeigte sich bei einem Kongress des Bundesverbands Managed Care.
Symposium

Mehr Mut zum Wandel

Der jüngste Kongress des Bundesverbands Managed Care stand ganz im Zeichen der Transformation des Gesundheitswesens. Lösungsansätze diskutierten die Teilnehmenden in Vorträgen, Workshops und Vernetzungsrunden. Von Irja Most

Hip-Hop-Beats wummern

durch den Saal. Ein Comic strahlt bunt von der Leinwand und verkündet: „Be Fast“. Das Akronym steht für „Balance, Eyes, Face, Arm, Speech, Time“ und dient als Eselsbrücke, um Anzeichen eines Schlaganfalls zu erkennen und schnell Hilfe zu holen. Wie solch eine eingängige Gesundheitserziehung ein neuer Ansatz für eine bessere, weil schnellere und gerechtere Versorgung für alle sein kann, berichtete Professor Olajide Williams aus New York auf dem 13. Kongress des Bundesverbandes Managed Care (BMC) in Berlin.
 
Neue Wege will das Gesundheitswesen auch in Deutschland gehen. „Unser Ziel muss ein menschenzentriertes und an Gesundheit ausgerichtetes Versorgungssystem sein“, forderte Professor Lutz Hager. „Die Gesundheitsversorgung der Zukunft löst sich von alten Kategorien und Instrumenten“, sagte der BMC-Vorstandsvorsitzende. Vermeintliche Gegensätze, wie beispielsweise ambulant und stationär oder analog und digital, müssten aufgelöst werden.

Sektorengrenzen überwinden.

Wie die Transformation gelingen kann, darüber tauschten sich rund 600 Teilnehmende aus allen Bereichen des Gesundheitssystems in mehr als 50 Fachforen, Workshops, Diskussions- und Vernetzungsrunden mit mehr als 100 Referentinnen und Referenten aus. Konkret ging es um die Umwandlung von Krankenhausstrukturen, die Umsetzung regionaler Versorgungslösungen, die Integration digitaler Technologien in Versorgungsprozesse sowie die Potenziale neuer Gesundheitsfachberufe.

Man muss bereit sein, Fehler zu akzeptieren und gegebenenfalls nachzusteuern.

So stellte AOK Nordost-Vorständin Daniela Teichert den „Cardiolotsen“ vor, als Beispiel für eine gelungene patientenzentrierte Versorgung. Der Cardiolotse unterstützt Herzkranke beim Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung. Mit ihm seien Kranken­hausverweildauer, Leistungsausgaben und Rehospitalisierungsrate gesunken.

Um eine wohnortnahe, langfristige und finanzierbare Versorgung für alle sicherzustellen, dürfe es „keine Denkverbote“ geben, sagte Dr. Andreas Philippi, Gesundheitsminister in Niedersachsen. „Wir müssen die starren Sektorengrenzen überwinden“, befand er. „Für diese Mammutaufgabe müssen alle bisherigen Aspekte der Versorgung auf den Prüfstand gestellt werden. Wir müssen jeden Stein umdrehen.“ Sein Appell: Alle demokratischen Parteien sollen an einem Strang ziehen, um das System zukunftsfähig und krisenfest zu machen. Die Digitalisierung müsse Standard werden, so der Minister.

Digitale Lösungen für die Prävention.

Dass es hierbei bundesweit noch etwas holprig laufe, räumte Dr. Florian Hartge von der Gematik ein. „Doch die Leute verstehen langsam: Das ist nützlich, damit kann ich etwas machen.“ Auch das E-Rezept könne nicht ganz falsch sein, denn nach dem von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe gestoppten Rollout habe die Gematik keine Nutzenden verloren. Ebenso könne der zweite Wurf der elektronischen Patientenakte ein Schlüsselfaktor für das Gesundheitswesen sein.

Bundesverband Managed Care: BMC-Kongress 2024 am 30. und 31. Januar in Berlin

Für die Prävention, ein gesundheitspolitischer Schwerpunkt der Ampel-Koa­lition, haben digitale Lösungen ebenfalls großes Potenzial, unterstrich der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Johannes Wagner. Dabei stehe die Frage im Raum, wie der medizinische Nutzen einzelner digitaler Möglichkeiten zu messen sei.

Neues ausprobieren.

Für die gesundheitspolitischen Weichenstellungen brauche es Zeit und Mut, erklärte Michael Weller, Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung im Bundesgesundheitsministerium. Man müsse „sich auch mal trauen, etwas Neues zu probieren und bereit sein, Fehler zu akzeptieren und gegebenenfalls nachzusteuern“. Was nach der Hälfte der Legislaturperiode noch nicht konzipiert sei, werde 2026 auch nicht mehr Bundesgesetz. Bei dem breiten Portfolio seien Priorisierungen nötig. Pflegegesetz und Arzneimittel-Lieferengpass-Probleme habe man vorziehen müssen. „Für die geplanten Versorgungsgesetze hat meine Abteilung keine Fristen einzuhalten“, so Weller. Bei den Digitalisierungsgesetzen gebe es hingegen „extrem wichtige Fristen für die elektronische Patientenakte“.
 
Widerstände sah der BMC-Vorstand und Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbands, Franz Knieps, im Verharren von Akteuren auf dem Status Quo: „Sich gegen die große Koalition der Beharrung durchzusetzen, erfordert politischen Mut, und der Mut sinkt mit jedem Tag vor der nächsten Wahl.“

Irja Most ist Redakteurin im KomPart-Verlag.
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