Neues aus der Uni

„Wissenschaft sollte sich ihrer Limitationen bewusst sein“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. Hans-Georg Hofer, Kommissarischer Leiter des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Herr Prof. Hofer, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Hans-Georg Hofer: An unserem Institut sind sowohl Medizingeschichte und -theorie als auch Medizinethik mit je eigenen Professuren und Arbeitsschwerpunkten vertreten. Im Bereich Ethik befassen wir uns mit der Frage: Wie lässt sich durch den Einzug digitaler Technologien im klinischen Alltag oder angesichts der Ausweitung neuromedizinischer Möglichkeiten die Patientendienlichkeit bewahren und stärken? Schließlich soll von medizinischen Fortschritten vor allem der einzelne Patient profitieren können. Im Bereich Geschichte untersuchen wir am Beispiel der Klinischen Forschung, warum sich in der Medizin innovative Ansätze und Methoden oftmals nur mit Verzögerungen durchgesetzt haben.

Porträt von Prof. Dr. Hans-Georg Hofer, Kommissarischer Leiter des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Zur Person

Prof. Dr. Hans-Georg Hofer leitet kommissarisch das Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er wurde mit einer Arbeit zur Geschichte der Psychiatrie an der Universität Graz promoviert. Nach Postdoc-Stationen an den Universitäten Freiburg, Manchester und Bonn (Habilitation) ist er seit 2015 Professor für Geschichte und Theorie der Medizin an der Universität Münster.

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Hofer: Aufgrund unserer Fächertrias – Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin – leben wir Interdisziplinarität in nahezu allen Bereichen von Forschung und Lehre. In Münster bestehen unter anderem Kooperationen mit dem Zentrum für Wissenschaftstheorie und dem Centrum für Bioethik. Ein Beispiel für unsere Netzwerkarbeit ist der von meiner Kollegin Prof. Bettina Schöne-Seifert ins Leben gerufene Münsteraner Kreis, ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Expertinnen und Experten, die sich aus medizinischer, ethischer, historischer, wissenschaftstheoretischer, psychologischer und juristischer Perspektive kritisch mit der komplementären und alternativen Medizin (KAM) auseinandersetzen.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Hofer: Die kurze Antwort darauf lautet: Ja – vor allem dann, wenn eindeutige wissenschaftliche Evidenz vorliegt und politische Entscheidungswege demokratisch gebahnt werden können. Häufig liegen die Dinge allerdings viel komplizierter, und zwar auf beiden Seiten. Dies hat nicht zuletzt mit systemischen Eigenheiten und Unterschieden von/zwischen Wissenschaft und Politik zu tun. Wissenschaftliche Expertise und Beratung ist mit Blick auf Faktenprüfung, Daten, Prognosen, Risiken unverzichtbar. Gleichwohl ist Wissenschaft keine Interventionsinstanz. Sie sollte sich ihrer Limitationen bewusst sein und ein reflexives Verhältnis zur politischen Entscheidungshoheit wahren, bei der es immer auch um Wertfragen, Mittel und Verhältnismäßigkeiten gehen muss.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
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