Weniger Abfall und Energieverbrauch – auch im Gesundheitswesen lässt sich einiges für den Umweltschutz tun.
Digitale Tagung

Wege zu mehr Nachhaltigkeit

Ein Krankenhaus verbraucht etwa so viel Energie wie eine Kleinstadt. Wie das Gesundheitswesen umweltfreundlicher werden kann, diskutierten Experten beim digitalen Medizinrechtstag der Bucerius Law School. Von Dr. Silke Heller-Jung

Nach Berechnungen

der Nichtregierungsorganisation „Health Care Without Harm“ (HCWH) produziert das Gesundheitswesen 4,4 Prozent der globalen Schadstoffemissionen und trägt so mehr zum Klimawandel bei als der Flugverkehr (drei Prozent). Insbesondere Krankenhäuser produzieren viel Abfall und benötigen sehr viel Energie. Ein umweltbewusstes Wirtschaften schont nicht nur das Klima, sondern hilft den Kliniken, trotz steigender Energiepreise ihren medizinischen Versorgungsauftrag weiter in vollem Umfang zu erfüllen. Welche Möglichkeiten es hier gibt und wie die rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen, diskutierten Experten online beim 6. Medizinrechtstag der Bucerius Law School (BLS).

Ehrgeizige Klimaziele.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hat das Thema Nachhaltigkeit bereits 2014 als zentrales Ziel in sein Leitbild aufgenommen. Zu einer „Ökologisierung der Medizin“ gebe es „keine Alternative“, betonte Professor Burkhard Johannes Göke, Vorstandsvorsitzender des UKE. Seit Oktober 2020 kümmert sich darum eine eigene Stabsstelle. Der ehrgeizige Klimaschutzplan für das Klinikum sieht vor, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein.
 
Ein Meilenstein auf diesem Weg war der Bau eines Blockheizkraftwerks mit Kälte-Wärme-Kraftkopplung im Jahr 2014, erläuterte Blanche Schwappach-Pignataro, Dekanin der medizinischen Fakultät des UKE. Durch diese Maßnahme sank der jährliche CO₂-Ausstoß der Klinik um 4.200 Tonnen und der externe Strombezug um 30 Prozent jährlich. Die Anlage liefere außerdem sowohl heißen Dampf für die Sterilisatoren als auch Kühlung für die Computer-Tomografen und habe sich innerhalb von zwei Jahren amortisiert. Die Digitalisierung des UKE ist weit fortgeschritten, eine hochmoderne Apotheke ermöglicht ein bedarfsgerechtes, abfallvermeidendes Abpacken individueller Medikamentendosen. Es gibt Elektrofahrzeuge und Fahrrad-Leasing-Angebote, Proben gelangen per Rohrpost ins Labor. Konkrete gesetzliche Vorgaben für all diese Maßnahmen gebe es jedoch nicht, so Schwappach-Pignataro. Daher fehle auch eine Grundlage für die Finanzierung des damit verbundenen Aufwands.

• Health Care Without Harm: Climate footprint report
• UKE Hamburg: Nachhaltigkeit und Klimamanagement

Rechtliche Aspekte der Ökologisierung.

Wie aber kann das Recht den Prozess der Ökologisierung im Gesundheitswesen mitgestalten? „Schon das WHO-Rahmenkonzept ‚Gesundheit 2020‘ enthielt die Forderung, nachhaltige, bürgernahe Gesundheitssysteme zu fördern. Dazu gehört zwingend auch die Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit“, führte Michael Fehling, Professor für öffent­liches Recht und Rechtsvergleichung an der BLS, aus. Aber: „Das Verfassungsrecht hält keine einfachen Rezepte dafür bereit, in welchem Umfang und mit welchen rechtlichen Regelungen der Gesundheitssektor umweltschonender gemacht werden muss. Klar ist nur: Wo sich mehr Umweltschutz ohne erhebliche Mehrkosten oder gar Einbußen bei Hygiene und Infektionsschutz verwirklichen ließe, ist das auch verfassungsrechtlich geboten.“
 
„Krankenhäuser können einen erheblichen Beitrag dazu leisten, Klimaschutz- und umweltpolitische Ziele zu erreichen“, erklärte Gerald G. Sander, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Zwar spielten Kriterien der Nachhaltigkeit im Gesundheitsrecht bislang eher eine untergeordnete Rolle. Doch innerhalb der Grenzen, die der Gesundheitsschutz und die Patientenrechte setzten, gebe es in etlichen Rechtsgebieten – etwa im Vergaberecht – Ansätze, im Gesundheitswesen nachhaltig zu handeln.

Silke Heller-Jung hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
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